Inge Offermann

Dort, wo mein Herz zuhause war

Noch schienen Lampen weißsilbern
auf Dezemberfrostbäume,
Schattenbüsche und reflektiert
von parkenden Autos an der
Haltestelle, als der erleuchtete Bus
um die Ecke bog und mich
in die Winterstadt mitnahm,
wo ich in blauer Dämmerung
und eisiger Luft in die Straßenbahn
zu meinem Fahrtziel wechselte.

Nach Ausstieg und Straßenüberquerung
stieg ich eine verwitterte Steintreppe
mit Frostblättern den Hang hinunter
und ging dann bei Graulicht
an einem Waldstreifen mit
Altlaub und Glitzergräsen vorbei
zu einem zweiflügeligen Gebäude
und betrat dort durch die Glastür,
die Telefonzentrale eines
breitflächigen Erdgeschossbüros,
wo ich mich beim Anschalten des Computers
und dem Einstellen des Poststempels
wieder aufwärmen konnte.

Kaum den Kaffee aus der Küche geholt
trafen die ersten Mitarbeiter und
die Morgenpost ein, welche sich
zu einem Berg stapelte,
der nach extern und intern sortiert,
geöffnet, gestempelt, in Fächer verteilt
oder zu den betreffenden Mitarbeitern
gebracht wurde, was schon mal
zwei bis drei Stunden beanspruchte.

Nach der Postverteilung gab ich
Exceldateien ein, kopierte Unterlagen,
stellte Hefter zusammen, band Prospekte,
bedruckte Ablagekästen mit Aufschriften,
sortierte die Ablage vor und ein,
wobei mir besonders die Pressemappen
Freude machten oder bereitete mit
Einer Kollegin Besprechungsräume
mit Unterlagen, Kaffee und Gebäck vor.
Spätnachmittags erfolgte dann noch
das Fertigmachen der Ausgangspost
mit Frankierung und Ablage in
den Postausgangskorb.

Die Arbeit sorgte für reichlich Bewegung
in hellen Räumen mit Pflanzen
und den Blick auf Aquarelle,
teilweise von Mitarbeitern selbst gemalt.

Die Mittagspause verbrachte ich
bei sonnigem Wetter am liebsten
auf einer Bank unter Gleditschien
zwischen Gartenkies, deren
geschwungene Schotenhülsen
ich für ein Wintergesteck sammelte.

Zur schönsten Erinnerung gehörte
der Weihnachtsbaum mit
blaugoldenen Kugeln
in der Zentrale und
das Adventsgrillen
vor dem Bürogebäude,
als blauer Rauch bei Abendrot
zwischen frostglänzenden
Gleditschienzweigen aufwehte
und sich letztes Tageslicht
in den Fenstern spiegelte.

Wölkt weißer Dampf
vom nahen Heizkraftwerk
in den Dämmerhimmel auf,
denke ich gerne an das Büro,
wo mein Herz für Wochen
zuhause war.

© Inge Hornisch

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.11.2017. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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