Hans Fritz
Rückbau einer Utopie
Grüsse aus Utopiópolis (2013)
Willkommen im Club der Gigantomanen.
Wir planen und planen und planen,
vom Wunsch nach Grossem im Innersten bewegt,
das schier Unmögliche erstrebend unentwegt.
Doch gönnt uns Utopisten freie Bahn,
sei unser Tun auch leerer Wahn!
Wir planen eine grosse Stadt,
wie es sie noch nie gegeben hat.
Was sind schon Singapur, Dubai,
Hongkong und Shanghai.
Als "Urbaner" sind wir einig alle,
der Fall liegt völlig klar.
Unser Atelier, das sei die Halle,
die einst ein Warenlager war.
Ein jeder zeichne seinen Plan.
Ist alles zu Papier gebracht
und das Werk dann wohl getan,
wird der Scanner klar gemacht.
Vereint zu einem einzig Schema,
gewinnt Strukturen unser Thema.
Frisch an die Arbeit, nicht geplaudert,
ein schlechter Planer, der da zaudert!
Lange Bretter aufgebockt,
unterteilt in Arbeitszonen.
Und wenn Arbeitsfreude lockt,
wird das Zeichnen sich voll lohnen.
Doch habet Acht ihr Planer,
aufgepasst, ihr wackeren "Urbaner",
dass über des Entwurfes Akrobatik
es nicht mangelt jeder Statik.
Wisst, dass später eingebaute Stütze
letzten Endes gar nichts nütze.
Was im Entwurf erscheint labil,
wird auch am Ende nicht stabil.
Derweil ihr das Monströse mauert,
im Hintergrund das Böse lauert!
Zum Schluss dann alles, wohl gemischt,
auf dem Schirme prangt in Supersicht.
So wie das Team es hat kreiert
wird's scharf in 3-D projiziert.
Die Computersimulation
spiegelt stolz der Mühe Lohn.
Türme, Wolkenscharen überragend,
Brücken, Megatonnen tragend,
majestätisch hohe Glaspaläste,
Ferienschlösser für die Gäste.
Von der Rotunde bis zum Kubus,
von der Tonne bis zum Tubus,
Zweckbauten übergross, gigantisch.
Doch bleibt es nicht ganz unromatisch,
wenn abends strahlt die Bausubstanz
himmelwärts im Lichterglanz.
Hell erstrahlte Wandelgänge
von gar himmlischer Länge
laden ein zum Spazieren,
zum Stolzieren und Flanieren.
Über den geschäftigen Zonen
erstrecken sich die Bahnstationen,
bieten Halt für Zug und Bus.
Sicheres Reisen ohne Verdruss!
Nein, Natur nicht ins Exil!
Der Stadt Begrünung sei das Ziel.
Hübsch bepflanzte Parkanlagen
bringen Naturnähe zum Tragen.
Auf den Dächern Gartenkunst.
Herbes Kraut, rotflammender Strauch,
benetzt vom Wolkendunst
im sanften Morgenhauch.
Über blassrosa Spieren
klingt bunten Vogels Tirilieren.
Doch was geschaffen mit viel Fleiss,
fordert einen hohen Preis.
Kaum scheint Utopiópolis perfekt,
das voller Prunk und Wunder steckt,
als Fundamente sich verschieben,
Bausteine auseinanderstieben.
Schon wankt der allerhöchste Mast,
der Grund nicht trägt der Masse Last.
Alles droht zu stürzen, fallen,
Dächer gleiten von den Hallen,
Mauern bersten allerorten,
Menschen fliehen aus hohen Pforten.
Staub verhüllt Gebäude, Strassen,
Rauchschwaden ziehen über Rasen.
Was so sorgsam ausgebufft,
im Untergang so rasch verpufft.
Und die geplant so lange Zeit
spüren die Unmachbarkeit,
wo in letzten Konsequenzen
stösst der Mensch an seine Grenzen.
Nun wird die Stadt zurückgebaut,
zugeschnitten auf gediegene Form,
auf Konstruktionen, die vertraut
aus altbewährter Bürgernorm.
So bleibt es oft ein Hirngespinst,
was du mit Eifer wohl beginnst.
Doch vergiss darüber niemals, nie,
was wär' das Leben ohne Utopie!
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.11.2017.
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