Hans Fritz
Unrecht Gut
Stock und Stein und mancher Steg
begleiten den Zwölfeulenweg
zur längst verlassenen Silbermine
und halb zerfallenen Burgruine.
Kuno weiss den Ort zu schätzen
als ein Kleinod unter Plätzen,
wohin Natur den Menschen lenkt
und so überreich beschenkt.
Für Kuno ist es nicht ergötzlich,
als aus dem Wald urplötzlich
hervorprescht eine Schreckgestalt,
macht bei alter Eiche Halt.
Ist’s ein Mensch, was macht der bloss
mit einer Schaufel riesengross?
Nun fängt er hastig an zu graben,
scheint wirklich wenig Zeit zu haben.
Als bald die Arbeit ist beendet,
waldwärts die Gestalt sich wendet,
flieht ganz frech und stramm.
Die Schaufel lehnt am Eichenstamm.
Als ruhig scheint die Lage dann,
Kuno es nicht lassen kann
zu inspizieren jene Grube,
die ausgehoben finstrer Bube.
Er packt die Schaufel kurz und bündig.
Minuten später wird er fündig.
In Jute, ganz primitiv verpackt,
Perlenschmuck ist eingesackt.
Colliers, Broschen, Armreif, Ringe
sowie hübsche andre Dinge
dürften sein von grossem Wert
und vom Kenner heiss begehrt.
Da Kuno ist zur Zeit in Not,
wär’ hier nicht Schicksals Angebot?
Voll Erwartung und Begier
bringt er den Fund zum Juwelier.
Der Fachmann möchte wissen prompt,
wie Kuno zu den Perlen kommt.
«Ein Haushalt wurde aufgelöst,
nichts gegen das Gesetz verstösst».
Doch der Schmuckexperte meint:
«Es ist nicht alles echt, wie’s scheint.
Ich muss prüfen Ringe, Kettenglieder,
kommen Sie nach einer Stunde wieder».
Kuno nutzt die Wartepause
für einen Schwatz im Nachbarhause.
Er erzählt die Schmuckgeschichte
einem Freund samt schöner Nichte.
Die berichten, dass ein dreister Dieb,
Schmuck, der ihnen wert und lieb,
sogar ‘nen alten Sack für Kohlen
bei einem Einbruch hat gestohlen.
Dem Kuno wird nun sonnenklar,
dass sein Fund Geklautes war
und wähnt sich in der Pflicht sogleich,
dass er dem Freund die Perlen reich’.
Er betritt den Laden frohgemut,
im Glauben nun sei alles gut.
Der Fachmann spricht mit ernster Miene:
«Mit diesem Zeug ich nichts verdiene.
Meine Nachricht die ist schlecht:
Die Südseeperlen sind nicht echt.
Es ist ein ganz gewöhnlich Glas,
geformt mit stümperhaftem Mass.
Der Beweis war einfach und banal,
der Gasbrenner schuf ein Fanal,
als Probe für Probe Perlenstolz
in der Flamme schleunigst schmolz».
Kuno kippt das gläsern Übel
in einen schwarzen Abfallkübel.
Dem Freund möcht er der Wahrheit Kern
verheimlichen so ganz und gern.
Bei allem Ärger und Verdruss
kommt Kuno zu dem weisen Schluss:
Auch entwendet Diebesgut
ist und bleibt ein unrecht Gut;
daher tut es selten gut.
Die Sache mit den falschen Perlen beruht auf einer wahren Geschichte, die mir irgendwann zugetragen wurde. Der Bunsenbrenner in einem Labor brachte die Wahrheit ans Licht. Ausser dieser brutalen Methode gibt es zum Glück auch andere, flammenlose Wege zum Überprüfen der Echtheit von Perlen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.12.2018.
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