Patrick Rabe

Wie es kam, dass Romeo und Julia im deutschen Herbst...

Wie es kam, dass Romeo und Julia im deutschen Herbst unter einer Decke steckten, ohne Verbrecher zu sein

 

Ich geb zu, meine Kindheit war behütet und schön,

ich bin nicht als Rebell gebor'n,

ich war ein liebes Kind, wie das Girl in "Free Fallin'",

verliebt in Jesus und traumverloren.

Oft kuschelte ich mich an meine Mutter,

sie las mir vor, und Papa auch,

es waren zarte Menschen, meine Eltern,

sie pflegten manch stärkenden Brauch.

 

Doch manchmal waren am Morgen verwüstet

die Gärten, die Zäune zerstört.

"Das waren Vandalen" sagte darauf mein Vater,

ich hab es nie anders gehört.

Und Montags am Kiosk da klebten Plakate mit RAF-Terroristen darauf.

"Sie kommen uns holen!", das sagte niemand,

doch Gedanken waren im Ausverkauf.

 

Ich hab nie gelitten, ich habe geliebt,

hab nur einmal den Kopf umgedreht,

er kann ja nach zwei Seiten problemlos schau'n,

ich glaub, dass ihr mich versteht.

Und da sah ich den Baader vorm Spiegel stehn,

und wollte so sein wie er,

der geilste Narziss, der die Frauen anpfeift

und der Krieg führt, gegen alles, was leer.

 

Und ich grub meinen Kopf in das Kissen und wünschte,

meine Kindheit wäre vorbei,

und irgendetwas wie Ernst oder so

beendete die Tyrannei

der so gruselig merkwürdig heilen Welt,

da war ich Schläfer, vom Kuckuck gelegt

und wenn Träumer als Schläfer das Ticken vernehmen,

dann hat Baader 'ne Bombe gelegt.

 

Und irgendwann in meiner Jugend dann so,

kloppten Punks sich mit Naziskins,

doch ich lief mit meiner Gitarre da durch,

denn ich meinte ein anderes "Links".

Ich meinte nicht "Rauch Haus" und nicht "Macht kaputt",

sondern "Und die Morgensonne schien!"

"Alle Gefängnisse leer.", "Keine Kriege mehr",

das Lied war ein Drängen und Zieh'n.

 

Doch dann sah ich dich und mir war alles klar,

Masken fielen in Ohnmacht zu Boden,

Treppen stürzten und ich fiel in die Nacht

und das Schweigen sang Batikhemd-Oden.

In den Stürmen und Blitzen, Messern, Beilen, Pistolen,

rannten wir unversehrt in den Sinn,

Bürgersohn knallte auf Schmuddelkind,

fand die kindliche Kaiserin.

 

© by Patrick Rabe,14. September 2019, Hamburg.

(Anmerkung: Der "deutsche Herbst" ist der Herbst 1977, in dem RAF-Mitglieder den Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer entführten. Meine Eltern hatten eine klare Meinung dazu. "Das sind wahnsinnige Verbrecher". Nach der Ermordung Schleyers sprach Bundespräsident Walter Scheel von Abscheu, Wut, und verirrten jungen Leuten, die ohne alle Werte seien und eine 2000-jährige Kulturgeschichte in kompletter Menschenverachtung beerdigt hätten. Aus heutiger Sicht, auch aus meiner privaten, muten mich diese Worte gespenstisch an und wie aus einer Amnesie dessen kommend, was in Walter Scheels Generation passiert ist. Wurde nicht damals schon, 1933-1945 jene 2000-jährige Kulturgeschichte nicht nur beerdigt, sondern auf grausamste Weise auf Schlachtfeldern und in Gaskammern ermordet? Und ist es nicht ein Wunder, das bereits österlich anmutet, dass Kultur, Werte, Wahrheit und Liebe bereits 10 Jahre später wiederauferstanden waren und in einer neuen Generation nicht nur wieder Atemluft fanden, sondern auch das Tanzen lernten, was eine deutlich konstruktivere Dämonenaustreibung ist, als Knüppel auf den Kopf? Vielleicht wurden da nicht mal Dämonen ausgetrieben. Vielleicht wollte man nur das Leben feiern in einer Weise, die die alte Generation schlicht nicht verstand, weil man sie nicht dabei haben wollte. Und waren nicht jene Mitglieder von APO und junger SPD, die sich später als RAF formierten, nicht gerade so krank in ihrer Seele, WEIL sie so viele Werte hatten? Es lohnt sich immer, auf beide Seiten der Geschichte zu lauschen. Das Risiko des "Überlaufens" können nur jene befürchten, die sich im Krieg wähnen.)

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