Ingo R. Hesse

Damals in einem scheinbar freien Land

Damals, als die Reißzähne längst in den Vitrinen der Sieger lagen,

Als Gut und Böse noch klar in West und Ost aufgeteilt war,

Als erste Oswald-Kolle-Flecken das weiße Laken der Freiheit zierten,

Als Toleranz und Weltoffenheit wie deutsche Erfindungen schienen,

Erblickte ich das niederträchtige Zwielicht der neuen Zeit.

 

Leben wie man leben mochte, denken und sagen was einen umtrieb.

Man lernte Ausländer zu sein, und zwar fast überall auf der Welt.

Vorfreude auf einen bunten Planeten ohne Vorurteile und Krieg.

Für die meisten Jugendlichen das Heil. Für viele Alte unerträglich.

Für mich vielleicht gerade deshalb damals noch erfreulicher.

 

Dann kamen erste Zweifel am Charakter der Heilsbringer auf.

Die, die uns befreit hatten, demaskierten sich in Napalm-Bombern.

Eiserne und religiöse Vorhänge fielen, Grenzen wurden geöffnet.

Konflikte brachen auf und reisten ein. Meine Toleranz kränkelt.

Migrationshintergrund statt Ausländer. Welcome statt Skepsis.

Die politische Welt ..eine Kugel. Böse und Gut ohne jegliche Richtung.

 

Je offener die geographischen Grenzen, desto betonierter das Denken.

Ich bin kaum noch bereit für Freundschaft, seit Feindschaft verboten ist.

Wie schön wäre es, wenn wieder alle sagen dürften, was sie bewegt.

Statt dessen hoffe ich, nicht im Zug neben dem zu sitzen, dem es reicht.

Wenn ich geahnt hätte wie gut es damals war, wäre ich jung geblieben.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.02.2020. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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