Robert Müller
Freiheitssuche
Eines Tages,ich hatte gerade wenig zu tun,da fand ich, anstatt einfach auszuruhn
und gelangweilt zu Hause herumzustehn,
könnte ich schnell mal meine Freiheit suchen gehn.
Kaum war ich ein paar Schritte auf dem Wege gegangen,
da packte mich plötzlich ein heftig Verlangen.
Ein Mann stand vor mir, mit tiefroter Nase.
"Deine Freiheit", rief er, "die liegt in dem Glase,
das ich in meinen Händen halte.
Und in dem Fässchen da, das ich verwalte,
liegt ein feiner Rebensaft!
Komm Bruder, setz dich zu mir und nimm einen Schluck.
Der gibt deinem Leben den nötigen Ruck!"
Noch jung war ich damals. Ich durft' es kaum wagen,
den Alten nach seinem Namen zu fragen.
Denn - ganz im Geheimen - ich traute ihm nicht.
War's wirklich die Nase in seinem Gesicht,
die mir so missfiel und die mich so störte,
und die nicht zu seinem Wesen gehörte?
"Mein Name ist Bacchus. Du kennst mich doch auch.
Bei fröhlichen Festen ist es Sitte und Brauch,
da werd' ich geladen, da bin ich dabei.
Mit mir wird man lustig, mit mir wird man frei!"
So bin ich geblieben. Bei Bacchus am Tische,
tief unten im Keller. Im Schutz einer Nische,
da hat' ich gehofft, meine Freiheit zu finden.
Statt dessen begnnen die Sinne zu schwinden.
Und als ich erwachte, in stockfinsterer Nacht,
stand Bacchus daneben. Er hatte gelacht
und sprach was von Schwächling, von Dummkopf und so!
Mich packte das Grauen. Zum Schluss war ich froh,
den Ausgang ins Freie gefunden zu haben.
Da draussen, da hockten drei pechschwarze Raben.
Erschreckt flogen sie aufgeregt krächzend von dannen.
Lang hat es gedauert, die Bilder aus meinen Gedanken zu bannen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.04.2020.
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