Patrick Rabe
Unter Viren (eine Heimatdichtung)
Silhouetten von Servietten an Spaghetten
zu unterscheiden,
das ist des Kellners Müh in Corona-Town.
Zombieähnlich huschen rasende Kellnerinnen
um die Coronen herum,
und versuchen schneller das Essen auf die Teller zu bekommen,
als sie es servieren können.
Dabei verwackeln sie das ganze Raum-Zeit-Kontinuum,
und schaffen den Sprung durch die Lichtmauer ohne Warp-Antrieb.
Keiner weiß, wovor der Ekel größer ist:
Vor Gesundheit, oder vor Krankheit.
„Ich bin so gesund, weil ich immer bei ihnen esse.“,
sage ich.
Die Kellnerin reihert mir vor die Füße
und kippt im Dunst des Spaghettitopfes um.
Ich dachte immer, ich wüsste, was Surrealismus ist.
Ich kannte das aus Filmen und aus Gedichten,
sogar aus meinen eigenen.
Es zu erleben, erfüllt mich mit einer Mischung aus Erhebung und tiefstem Weltpessimismus.
Warum muss auch noch der Weltuntergang im Stil eines Trash-Filmes ablaufen?
Ich suche Trost in der Bibel.
„Dein Same wird nach links und rechts ausbrechen und die Heiden erben,
und in verwüsteten Städten wohnen.“,
sagt mir mein tägliches Bibelorakel
bei Jesaja
im spontan aufgeschlagenen Buche.
Das nehme ich als Resttagesauftrag,
wichse nach links und nach rechts,
in der Hoffnung, dass ich so
auf übernatürliche Weise Nachkommen erhalten,
die Lüneburger Heide erben,
und dort „Roy-Black-Filme-drehen“-Verbotsschilder aufstellen kann.
In verwüsteten Städten lebe ich schon.
Die Wüste ist meine innere Ödnis
angesichts des Massenwahns,
und die Fata-Morganen
sind meine Mitmenschen,
die sich wie von innen geschälte Hüllen
durch die Walachei
der vorhandenen Fülle
gaukeln lassen,
ohne in die leckeren Früchte zu beißen.
Innerlich vertrocknet
an der Unfähigkeit, sich etwas zu gönnen.
Ich sehe eine geile Pantherfrau
mit nackten Füßen in Turnschuhen.
Sie lebt.
Hinter den Gesichtsmasken schwitzend
tauschen wir in der U-Bahn
fiebrige Blicke,
beide zu gehemmt,
übereinander herzufallen.
Wir leben im Dschungel,
aber uns hindern die Fesseln der Zivilisation.
Wäre ich auf Selbstbedienungsrestaurants geeicht,
hätte ich mich da jetzt selbst bedient.
Immer wieder bringe ich mir neu kochen bei,
um irgendwann meine Traumfrau
aus dem lila Sumpf der Universalmuschi
ernten zu können.
Es fällt schwer,
weil jeder Supermarkt irgendwann
die nötigen Zutaten
für meine Lieblingsgerichte
nicht mehr hat.
Unterstellt wird mir dann wie immer
Junggesellen-Unfähigkeit.
Rasend drehen sich die Sterne
in meinem Milchmädchenuniversum
um den Mond Tetrapak.
Mit einem spitzen Schrei
fliegt die Milch
in die Kaffeetasse.
© by Patrick Rabe, 21. Juli 2020, Hamburg
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.07.2020.
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