Christina Pochert
WENDELIN WINDBRAUE
Im Trubel trüber Triebsamkeiten
stehn die Uhren niemals still.
Ja, es gab schon bessre Zeiten
wie ich dreist behaupten will.
Der Menschen graue Angesichter
wogen blicklos durch die Stadt ,
hektisch, hastig, ohne Pause,
jeder hat den Alltag satt.
Doch zwischen all den Ruhelosen
und dem was man zu kennen meint
ragt dort etwas in die Höhe
das recht sonderbar erscheint.
Vier handbreit höher als die Menge,
so lang wie ein Laternenpfahl,
in der Hand ein Sträußchen Federn,
genau fünfzig an der Zahl.
Wendelin, das ist sein Name!
Windbraue wird er genannt
und ist bei jenen, die ihn kennen
als Herr der Federn wohlbekannt.
Denn ihm ist sehr daran gelegen
dem Mensch die Schwere zu entziehen,
weil er weiß, dass viel zu viele
beständig vor dem Leben fliehen.
Sein Haupt ragt höher als die andern
und um ihn her da rast die Welt,
vielleicht liegts an der Luft dort oben,
dass ihm das Leben leichter fällt..
Deshalb freut es ihn am meisten
wenn er Ruhe schenken kann.
Denn von all den Ruhelosen
zieht er gar die Ärgsten an.
So als ob sie spüren könnten
welchen Mangel sie erfahren
weil sie jeden Tag im Leben
rastlos und getrieben waren.
Wendelin sieht schon von Weitem
einen kleinen grauen Mann,
der vor lauter Hast und Eile
kaum mehr richtig gehen kann.
Sorgenfalten auf der Stirne
und der Rücken tief gebeugt
übersieht der Kummervolle
wer ihn da aus der Höh' beäugt.
Und so rempelt er den großen
Wendelin von unten an,
reibt sich überrascht die Augen
weil er gar nicht glauben kann
wer da vor ihm steht und lächelt.
"Himmel, so ein großer Herr...
und es scheint als trüg er eine
handvoll Federn vor sich her."
Unbemerkt verstummt das Rauschen,
staunend blickt der Mann empor
und erwidert gar das Lächeln
unter der Hutkrempe hervor.
Plötzlich ist die Hast vergessen,
alle Sorge scheint verbannt
und Wendelin beugt sich hinunter
eine Feder in der Hand.
Kein Wort hat Windbrau' je gesprochen,
nur seine Federchen verteilt
an jeden der durchs Leben hastet
und ruhelos vorüber eilt.
Wendelin schenkt Ungewohntes,
doch zieht er den in seinen Bann,
der inmitten all der Eile
doch noch innehalten kann.
Und so blickt der nun Beschenkte
staunend auf den Federkiel,
der ihm auf wundersame Weise
soeben in die Hände fiel.
Und jetzt weiß er tief im Innern
Was ihn dieser "Zufall" lehrt:
Tiefe Dankbarkeit und Fülle
und des Lebens wahrer Wert.
Denn es gibt die sanften Dinge,
unbeschwert und federleicht,
zeitlos überall zu finden
weil kein Moment dem andern gleicht.
Schon zieht der Herr der Federn weiter,
kehrt bald mit leeren Händen heim
und so manch einer konnte lernen:
Leben kann auch leichter sein!
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.11.2020.
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