Abschiedsmond

Dunkel blickte ihn die Nacht

aus ruhigen Augen lange an,

sanft breitete sie ihre Decke

über seinen lebensmatten Körper

und hüllte seine Seele samtig ein,

um ihn auf die goldene Sichelgondel

des Dezembermondes zu heben,

mit der er durch dunkle Lindenzweige

seine letzte Sternenreise antrat

in ein Regenbogenland,

wo ihn seine Eltern und

Schwester lächelnd umarmen.

Bevor er die Augen schloss,

saß er noch einmal

im gemütlichen Sommercafé

des Nachbarschaftsheimes

unter grünen Kastanienzweigen,

schaute im Garten eines alten Hauses

sehnsüchtig durch Herbstpflaumenblätter

zum nächtlichen Septemberhimmel

und wanderte über den lichterbunten

Weihnachtsmarkt Berlin-Zehlendorfs.

Vielleicht erinnerte er sich auch

an die weißblühenden Robinien

über den Aurainen meiner Heimat,

die Bank am Rhein zwischen

rosablühendem Springkraut,

wo die Sonnenwellen

des Stromes vorbeifließen.

Wenigstens blieb seinen Lieben

Zeit für die Abschiednahme,

ehe er zurückkehrt in den Schoß

seiner Heimaterde unter Lebensbäumen

und seine Seele in der Morgenröte

der Ewigkeit aufgeht.

© Inge Offermann





Für Ulli T. aus Berlin

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