Patrick Rabe

Der Großinquisitor

 

Da stehst du wieder, das lange Gewand

bedeckt deine Scham, und mit deiner Hand

fummelst du fahrig an den Rosenkränzen,

statt, was du wirklich willst, an langen Schwänzen.

 

„Maria!“, rufst du, und ich sehe dich schwitzen,

die Gottmutter denkst du, doch du willst besitzen

die Hure, die stets Magdalena nur heißt,

und in deinem Kopf kreist kein heiliger Geist.

 

„Bekenne!“, keuchst du mit  versabberter Stimme,

„Bekenne die Sünde, mein Kind mir, die Schlimme.

Sonst tu ich dir wieder und wieder das an,

was ich vor Jahren dir schon angetan!“

 

Und in seiner Hand, da entgleist ihm das Kreuz,

er schlägt mich damit, ich lache, mich freut’s.

Der Alte ist fickrig, und nur noch ein Schatten,

den Heiland vergaß er, er will mich begatten.

 

„Oh nein du, nein, diesmal bereue ich nicht!

Nein, diesmal zeigst du mir dein wahres Gesicht!

Die langen Gewänder, sie haben schon Risse,

es riecht durch das Ordinat nach Angst und Pisse.

 

Und immer entflohst du danach wie ein Dieb,

doch ich, ich behielt Magdalena stets lieb.

Und wenn ich über den Waldboden tanze,

und du den Baum tarnst als heilige Lanze,

 

dann spür ich dich modern dort tief im Morast,

es sind nur noch Schatten, die du dort erfasst.

Du brauchst den Talar, und die Uniform,

das Ausweispapier, Gesetze und Norm.

 

Doch das, was du bist, das ist immer dasselbe,

du suchst nach dem Eiweiß, verkleckerst das Gelbe.

Und kannst du mir als Gespenst nicht erscheinen,

tanz ich auf der Leiche dein froh mit den meinen!“

 

Er wird kreidebleich, und er schluckt trocken runter,

kein Hagen hilft ihm mehr, er ruft Siegfried und Gunther,

und noch ält’re Geister, um die Krone zu schützen,

und die Kirche mit Krückpfeilern hilflos zu stützen.

 

„Bet‘ sieben Gebete, du sündiges Kind.

Sonst bist morgen du dort, wo Knochen nur sind!

Sonst bist morgen du dort, wo du mich heut wähnst,

und es brennt jeder Götze, an den du dich lehnst!“

 

Noch einmal erhebt er das Kreuz und schlägt zu.

„Maria, die Hure, die hab ich. Jetzt du.“

„Nein, du hast sie nicht, sie ist frei, und sie fickt,

noch immer ist ihr dies dort draußen geglückt.

 

Wer Frauen nie liebte, ist blind für das Recht,

das die Liebe verleiht, und beim Fick wird ihm schlecht.

Denn Schweiß, Blut und Tränen, die braucht er als Wasser,

und Weihrauch zum Wein, denn sonst wird er ein Hasser.“

 

Da hebt er das Kreuz, stöhnt vor Fettsucht und Braten,

und vor kirchlichem Recht, dass die Pfaffen vertraten.

Sich nicht zu vermehren, das schworen sie wem?

Nicht dem Herren des Lebens, sondern Herrn Unbequem.

Und ich lache, und seh ihn als untoten Reiter,

laufe raus aus der Kirche und sündige weiter.

 

 

 

© by Patrick Rabe, 23. Dezember 2020, Hamburg.

 

 

Der Titel „Pontifex Maximus“ bedeutet nicht „großer Brückenbauer“, sondern „großer Brückenreparierer“, bzw. „Behelfsmäßiger Stützpfeiler für die Brücke“. Dieser Titel des Papstes soll angeblich darauf hindeuten, dass der große Brückenbauer bzw. Brückenreparierer noch kommt, und zwar in der Gestalt von Jesus Christus. Das Wort „Brückenreparierer“ kommt sinngemäß vom Propheten Jesaja. Ist jedoch der Papst in Rom wirklich der Stellvertreter Christi? Oder auf wen wartet er als „Stellvertreter“ wirklich? Ich denke, es ist ganz einfach. Das Wort „Pontifex Maximus“ weist weniger auf Christus hin, als vielmehr auf Pontius Pilatus. Das ergibt sich eigentlich sehr leicht aus diesem lateinischen Namen. Pontius Pilatus bedeutet nämlich „Brückenpfeiler“. Und selbst wenn er im letzten Moment noch erkannte, wen er da kreuzigen soll, und davon in Erschütterung gewandelt wurde, vertrat er eben doch nicht Gottes Recht, sondern das Recht des Römischen Reiches. Demnach wartet die katholische Kirche auf die Rückkehr von Pontius Pilatus und die Wiederherstellung des Römischen Reiches. Oder die Bezeichnung für den Papst ist extrem unglücklich gewählt. Dieses Gedicht geht nicht gegen Jorge Bergoglio (Papst Franziskus), den ich sehr menschlich und liebevoll finde, sondern gegen die Institution der katholischen Kirche als solche.

 

 

© by Patrick Rabe, 23. Dezember 2020, Hamburg.

 

 

 

 

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