Wolfgang Hoor
Monatssprüche, Teil 2
Monatssprüche, 2. Teil
Juli
Nachdem ich begonnen hatte, für einen
Freund zu schwärmen,
warnte etwas in mir:
Du suchst ein Vorbild.
Vorbilder muß man
nicht gläubig verehren,
nicht auf Sockel stellen
man muß sie wirken lassen
wie Hefe.
August
O wie schön wäre es, ich könnte
Ferienerinnerungen lange genießen.
Aber mein Gedächtnis
ist wie ein Schwamm,
saugt auf:
Sinn, Klänge, Gefühle, Neues.
Später, immer noch Schwamm, aber trocken
gibt es alles als Staub wieder her.
September
In den Gläsern: Obst für den Winter.
Aber auch ein gelungener Satz
Ist ein Vorrat.
Man muß ihn verwahren wie
in den Gläsern das Obst.
Oktober
Abfällt eine Kastanie vom Baum.
Was gehalten hat, hält nicht mehr.
Was geschützt hat, schützt nicht mehr.
Abfall oder
ene Kostbarkeit
in der Hand eines Kindes.
November
Unter den Hilflosen sind
die am schlimmsten dran, die
lächeln. Warten. Ohne Narben sind.
Man kann sie berühren.
Niemand tut es.
Man kann sie tragen.
Aber man trägt nicht
Sie fallen zum Sterben wie
Die letzten Blätter im Herbst.
Dezember
Unter den Hilflosen
Das Kind in der Krippe.
Es lächelt und wartet.
Und o Wunder
Man trägt es
In dankbaren Händen
In ein neues Jahr.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.06.2021.
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