Brigitte Waldner

Das Gebirgsbächlein will etwas erzählen


Durch steilen, grünen Hang
gräbt sich das Bächlein die Schlucht,
das seinen Weg vom Berg
zum Fluss heruntersucht,
erreicht sein Ziel schon bald,
bei sichtbar zartem Plätschern
im Lärm der Autobahn,
wo deren Brücke das Bächlein
gewaltig überspannt.

Im Winter friert das Bächlein
im Schnee nie völlig zu,
mit ganzer Kraft fließt es voran,
oftmals bedeckt von Eis,
zu seinen beiden Flanken.
In regenarmen Zeiten führt es
geringe Wassermengen.
Auf seiner Strecke befüllt es
damit das Becken der Feuerwehr.

Es war ein schöner Schulweg,
dem Bächlein entlang zu gehen.
Wo damals Bäume standen,
wie Weiden, Esche und Hasel,
ist heute Stahlbeton,
getauscht der Landgeruch
mit Abgas aus Transit-Verkehr.
Das Bächlein fließt immer noch,
die Menschen sind nicht mehr.

Wir folgten einem Steig,
und sprangen übers Bächlein,
mit einer Kanne in der Hand,
um abends frische Milch
am Bauernhof zu holen.
Dort grasen heute Ziegen,
ein Pony und ein Bock.
Die Hühner dürfen nicht mehr raus,
sie sind jetzt im Gehege.

Das Bächlein wurde reguliert,
auf Brücke überquerbar,
einst war das noch undenkbar,
doch es war alles machbar.
Wenn man dorthin spaziert,
denkt man zurück an früher,
dass es schon mal passiert,
dass es ein bisschen wehtut,
wie man Natur zubetoniert.

Das Wasser wurde sauberer,
die Waschlaugen fließen nicht mehr hinein.
Die Anwohner sind schon am Kanal,
Die Abwässer der Autobahn werden
auch endlich am Bächlein geklärt
in einer Ölabscheideanlage,
was gar nicht schön aussieht.
Das Bächlein will etwas erzählen,
man hört es nicht mehr.

Text und Foto: © Brigitte Waldner
 

Bild zum Gedicht Das Gebirgsbächlein will etwas erzählen

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