Andrea Benner
Reise nach Vineta
Bernsteinfarbenes Haar
gleitet mir
durch die Finger der Zeit.
Verbrannte Liebe,
dem Grunde entwogen.
In den Sand gespült
quellen Muschelsplitter
aus den Augen ihr.
Und ab und zu
blitzt eine Perle auf.
Blasentang streift ihren Leib.
Es wachsen Algen ihr
aus allen Gliedern.
Aus ihrer Stimme rauscht
das Meer.
Ebbenbürtig
sinkt mein Stolz
und ich übergebe mich
klagend
des vergällten Sonnenuntergangs
den Wellen...
den Wellen...
Dem Albatros gleich
Erinnerung schwingt
über Treibholz und Strandgut,
Hoffnung
und versandeten Träumen.
Ausgespuckt
und aufgeschäumt.
Der Rotz verstaubter Jahre
tropft
wie ein geschlachtetes Kalb.
Zu früh zu spät.
Und ich werfe
den wütenden Tränen
vergilbte
Illusionen hinterher.
Nebel nimmt
die letzte Klarheit mir,
spuckt Geister mir
ins Bild windiger Leere.
Ich laufe...
gerade aus.
Schiffern
dem unsteten Hafen,
aller Wasser umspült
und spüre...
...es nicht,
bevor es
in streichelnden Wogen
versöhnlich
über mir
zusammen fließt
und mich
- wieder frei -
selig atmen lässt.
Vorheriger TitelNächster TitelWährend eines Aufenthaltes an der Ostsee nahm ich an einer Veranstaltung zum Thema "Vineta - die
versunkene Stadt" teil. Der Vortrag dazu arbeitete die ganze Nacht in mir nach und während einer
Strandwanderung am folgenden Tag entstand diese Skizze.
Um kurz Hinweise auf "Vineta" zu geben:
"Der Sage nach ging Vineta bei einem Sturmhochwasser unter. Grund sei der moralische Verfall der
Stadt, der „Hochmut und die Verschwendung der Bewohner“ gewesen. In einer der zahlreichen Varianten
der Sage gab es eine Warnung: Drei Monate, drei Wochen und drei Tage vor dem Untergang der Stadt
erschien sie über dem Meer mit allen Häusern, Türmen und Mauern als farbiges Lichtgebilde. Die Ältesten
rieten allen Leuten daraufhin, die Stadt zu verlassen, denn sehe man Städte, Schiffe oder Menschen
doppelt, so bedeute das immer den Untergang. Doch die Bewohner Vinetas kümmerten sich in ihrem
Mangel an Demut nicht darum. Niemand beachtete auch die allerletzte Warnung: Einige Wochen später
tauchte eine Wasserfrau dicht vor der Stadt aus dem Meer und rief dreimal mit hoher, schauerlicher
Stimme:
„Vineta, Vineta, du rieke Stadt, Vineta sall unnergahn, wieldeß se het väl Böses dahn“
„Vineta, Vineta, du reiche Stadt, Vineta soll untergehen, weil sie viel Böses getan hat.“
Auch heute noch sollen zu besonderen Zeiten Glocken aus den Tiefen des Meeres zu hören sein."Andrea Benner, Anmerkung zum Gedicht
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.03.2022.
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