Anette Esposito

Letzter Gedanke

Am späten Nachmittag, das Gehen fällt ihr schwer,
auf zwei alten Krücken kommt sie daher.
Das Gesicht voller Falten ,die Augen krank,
setzt sie sich zum Ruhen, auf eine Bank.
Das Holz knackt leise unter ihrem Gewicht,
von der Bank im Park ,dort vor dem Gericht.

Ein schmerzvolles Stöhnen dringt aus ihrem Mund.
Sie ist ja schon lange nicht mehr gesund.
„Sie müssen sich schonen, nicht mehr viel wagen“,
gab der Arzt ihr zur Antwort auf ihre Fragen.
Sie lässt sich jetzt sinken, ist nun bereit.
Sie weiß, ihr bleibt nicht mehr viel Zeit.

Die Krankheit verfolgt sie auf Schritt und Tritt.
Das Herz macht auch schon lang’ nicht mehr mit.
Das Atmen bereitet ihr große Not,
und hinter jeder Ecke lauert der Tod.
Sie schließt die Augen, sucht so die Sterne.
Ihre Gedanken schweifen jetzt in die Ferne.

Fast siebzig Jahre ist es schon her,
dass sie ihn verlor, das war sehr schwer.
Sie denkt an ihn, und in ihrem Herzen
bemerkt sie schon wieder diese furchtbaren Schmerzen.
Sein schönes Gesicht, konnte sie niemals vergessen,
seine ganze Liebe hatte sie einst besessen.

Doch dann musst’ er fort, zog in den Krieg.
Die Briefe blieben aus, auch nach dem Sieg.
Eine Träne, die jetzt ihr Augen benetzt,
wischt sie fort, als sich ein Mann zu ihr setzt.
Sie streift ihn kurz mit verlegenen Blick,
und denkt an ihren Liebsten zurück.

Eine ganze Weile, die Zeit verrinnt,
als plötzlich der Mann zu reden beginnt.
Sie kennt diese Stimme - Sie horcht jetzt auf.
Nun nimmt das Schicksal seinen Lauf.
Er erwidert den Blick, der auch ihm so vertraut.
Lange hat er ihr in die Augen geschaut.

Freude und Glück sich jetzt in ihr regt,
und erwärmt ihr Herz, als er den Arm um sie legt.
Sie reden nicht mehr, jedes Wort ist verklungen,
halten sich lange noch ganz eng umschlungen.
Sie spürt nichts mehr von der Kälte der Nacht.
Der Tod hat sie wieder zusammengebracht.

Am anderen Morgen fand man sie recht bald,
mit erstarrtem Blick, und die Hände kalt.
Ein glückliches Lächeln lag auf ihrem Gesicht.
Allein saß sie da, auf der Bank vorm Gericht.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.09.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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