Karl Wiener

Die Jahreszeiten

I.

Frühlingsmorgen

 

Am Morgen eines Frühlingstags

wenn Blüten auf den Wiesen sprießen

und Vögel singen all zugleich,

die Sonne zu begrüßen,

fühl ich mich wie im Himmelreich.

 

Nichts hält mich mehr im Haus zurück,

ich geh hinaus mit leichten Schritten

und atme tief die reine Luft.

Man muß mich gar nicht lange bitten,

zum Wandern lockt der Frühlingsduft.

 

Vom Tal her steigen Nebelschwaden,

auf Pfützen knistert dünnes Eis.

Die Büsche treiben erste Blätter

und eine Katze schnurrt ganz leis.

Auch sie genießt das Frühlingswetter.

 

II.

Sommergewitter

 

Die Hitze flimmert in der Luft

und auch im Schatten ist es schwül.

Die Hunde hecheln, haben Durst,

die Vögel sind schon längst verstummt.

Schlaff hängt der Birke welkes Laub.

 

Die Sonne strebt zum Horizont,

sie hüllt sich ein in weiße Schleier.

Ein Windstoß wirbelt hoch den Staub

und dunkle Wolken baun sich auf.

Ganz fern vibriert ein Wetterleuchten.

 

Urplötzlich fällt der erste Tropfen

und grelle Blitze zucken nieder.

Der Regen prasselt auf das Dach,

die Traufe faßt das Wasser nicht,

und auch die Gosse schwillt zum Bach.

 

Schnell wie es kam ist es vorbei,

das Laub der Bäume atmet wieder.

Die Vögel nehmen noch ein Bad

und lassen sich zum Schlafen nieder.

Die Luft ist rein und angenehm die Nacht.

 

III.

Herbstwetter

 

Der Himmel ist von Grau bedeckt,

der Wind treibt Regen übers Land

und läßt die Kälte doppelt fühlen.

Die Katze sehnt sich nach dem Herd,

und auch den Hund jagt man nicht raus.

Ich tret ans Fenster, schau hinaus:

Die Tropfen tanzen auf den Pfützen

wie Kobolde mit Zipfelmützen.

 

Da, plötzlich reißt der Himmel auf.

Der Wind vertreibt die Wolkenschleier.

Ein Strahl der Sonne bricht hervor

und spiegelt sich im Fenster wider.

Die letzten Tropfen fallen nieder,

und wie von Zauberhand gezogen

erscheint ein bunter Regenbogen.

 

 

IV.

Winterabend

 

Geschneit hat es in diesem Winter,

zum ersten Mal, das freut die Kinder,

und sie beschließen voller Freude:

Wir bauen einen Schneemann heute.

Sie schaffen emsig auf der Wiese,

bald steht er da, groß wie ein Riese.

 

Sein Mund lacht breit von Ohr zu Ohr

und eine Möhre ragt hervor

als Nase aus dem Angesicht,

zwei Kohlen sind sein Augenlicht.

Als Hut auf kugelrundem Kopf

glänzt keck ein umgestülpter Topf.

 

Am Abend dann bei Kerzenschimmer

sitzt man im warm geheizten Zimmer,

Bratapfelduft im Ofenrohr,

Großvater liest Geschichten vor

vom Schneemann, der im Mondenschein

da draußen steht, so ganz allein.

 

Traurig hat er den Blick gesenkt

Weil er schon an den Frühling denkt

Den er, wie andere seinesgleichen,

wohl nie im Leben wird erreichen,

denn jeder Schneemann muß vergehen

wenn warme Frühlingswinde wehen.

 

Bald kommt der Schneemann zum Entschluß

und macht sich auf den Weg zu Fuß.

Er glaubt, daß auf den hohen Felsen

der weiße Schnee wird niemals schmelzen

und er, wenn er hinunter schaut,

die Kinder sieht, die ihn gebaut.

 

Doch kann er sich nicht sicher wähnen.

Die Sonne rührt ihn bald zu Tränen.

Ganz weinerlich steht ihm der Sinn.

Der schöne Schneemann fließt dahin.

Zum Schluß bleibt nur noch eine Lache,

die fließt zu Tal in einem Bache.

 

 

 

 

 

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