Brigitte Waldner

Ein Drittel eines Lebens verschwendet man für Bildung,

und wird trotzdem nicht weiser und es ändert nichts,
ein Drittel verschwendet man für die Arbeit für andere,
das letzte Drittel lebt man für das Leben,
wenn man schon keine Kraft mehr hat und kränkelt.
Zum Leben hat man weder Zeit,
noch genug Geld für Reisen in jungen Jahren,
wenn man fit genug wäre.
Den Schlaf muss man zurückhalten,
um Hausarbeit zu erledigen,
und morgens vorzeitig abbrechen,
um seinen Verpflichtungen wieder nachkommen zu können.
Auszuschlafen, wenn man müde ist,
ist nicht möglich. Das geht erst in der Pension.
Um die Strafe fürs Leben zu verschärfen,
wird im Sommer die Uhr um eine ganze Stunde vorgerückt,
damit die Geschäfte abends mehr Umsatz machen,
weil morgens jeder zu müde ist, einkaufen zu gehen.
Man müsste das abendliche Einkaufen nur verweigern,
auch den Lokalbesuch, um die Sommerzeit abzuschaffen.
Aber wer durchschaut das schon?
Als Frau hat man es um einiges härter als Männer,
man muss auch noch Kinder auf die Welt wuchten
und sie pflegen und versorgen
und hat auch noch einen Mann am Hals,
den man bedienen muss,
obwohl man sich selber erhalten muss
und die Kinder meist auch noch zusätzlich.

Von den Nachbarn wird man um alles beneidet,
bestohlen, bedroht, gemobbt und sachbeschädigt,
von den Freunden nur dazu benützt,
ihnen Vorteile zu bieten.
Wenn man einmal jemanden braucht,
hat niemand Zeit zu helfen,
und man muss erst wieder alles selber machen.
Denen geht es ja auch nicht anders,
die haben ja die gleiche Lage.
Man kann nicht immer auf Abruf für andere da sein,
dazu ist man viel zu beschäftigt und zu müde.
Ein Räuber oder ein Dieb, der Tag und Nacht schuftet,
mit Beobachtungen, Raubzügen und Plünderungen
erwerbsmäßig beschäftigt ist,
und dazu noch aufpassen muss,
dass ihn und sein Team kein Detektiv ertappt,
und sie keine nachweisbaren Spuren hinterlassen,
hat es nicht leichter, sein Leben damit zu verplempern.

Wenn mehrere benachbarte Leute aufpassen müssen,
auf ihren Posten stehend, wie die Erdmännchen,
während zwei eine Plünderung durchführen,
dann rauben sie sich selber ihre Freizeit,
selbst dann, wenn sie es als Hobby betrachten und es ihnen Spaß macht.
Freizeit ist ihr Lebenskapital, das sie wegwerfen, vernichten.

Der Sinn des Lebens ist: Für andere dazusein,
wie der Räuber für seine Familie und Komplizen und diese für ihn,
so das einzelne Opfer für die Räuber, für den Staat und die Familie,
ob man will oder nicht, es ergibt sich,
oder man wird dazu verpflichtet und gezwungen.
Man kann sich dem gar nicht entziehen, ein Nutztier zu sein,
wie eine Kuh, ein Pferd, ein Esel, eine Ente, ein Huhn, Ziegen und Schafe.
Das Leben ist kein Leben, sondern eine sinnlose und ermüdende Qual,
die krank macht und umbringt.
Zum Auskurieren bei Krankheit, hat man auch keine Zeit.

Einzig und allein der Tod bringt die Erlösung aus dieser Katastrophe.
Und dann gibt es noch diese Leute, die jemandem das jämmerliche Dasein
nicht einmal gönnen,
und auf sie losgehen, wie Rasputin auf Babuschka,
ohne zu bedenken, dass es ihnen dadurch nicht besser geht.
Aber sie meinen, es würde ihnen dadurch besser gehen.
Sie haben nur subjektiv das Gefühl,
wenn sie illegal auf Kosten anderer leben und diese schädigen,
dass es ihnen besser erginge.
Nein, sie werden genauso krank und werden genauso einmal verloren gehen,
wie jeder andere auch.
Sie können nicht einmal etwas von der Beute ins Jenseits mitnehmen.
Das Beste, was es auf der Welt gibt, ist der Tod,
er löst alle Probleme binnen Sekunden.
Jedes Mal, wenn ich aus der Vollnarkose erwachte,
hatte ich den Eindruck, aus einer anderen Welt zu kommen,
und ich war total enttäuscht, wieder zurückzukommen.
Dagegen fühlte sich die Narkose wie Schwerelosigkeit an,
als ob ich ein schwebender Schmetterling wäre jenseits der Erde,
frei von Leben und Last, von Qual und Mühe,
entbunden zu sein von der Erde und ihrer Schwerkraft,
die jeden und alles nach unten zieht bis in den Tod.
Der Tod steht ganz unten.
Da fällt auch der Räuber einmal hinunter,
wenn sein Luftballon platzt.

© Brigitte Waldner
 

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