Anette Esposito

DER GROßVATER

In seinem Lehnstuhl am Fenster sitzt er allein,
Tag für Tag in einem Altenheim.
Vor einem Jahr brachten sie ihn hierher.
Seine Kinder wollten ihn nicht mehr.
„Du machst zuviel Arbeit, es fehlt uns die Zeit.
Im Heim hast du’s besser, es ist ja nicht weit.“

Als seine Kinder so zu ihm gesprochen,
hatten sie ihm sein altes Herz gebrochen.
Jeden Tag sitzt er hier und wartet dann,
doch keiner ihn seitdem besuchen kam.
Die einzige Abwechslung, die vom Tag her ihm winkt
ist, wenn jemand ihm sein Essen bringt.
Oder morgens, zum Waschen, so gegen acht,
und abends, wenn man ihn wieder bettet zur Nacht.

Das Fernsehen vermisst er gar nicht so sehr
und Zeitung lesen kann er nicht mehr.
Die Augen sind schon seit langem trübe,
und er fühlt sich nur unsagbar müde.
Der Gang zur Toilette ist mühsam und schwer.
Man stellte ihm einfach einen Stuhl dafür her.

In der Ecke läutet das Telefon:
„Ein wenig Geduld, ich komme ja schon.“
Aus seiner Hand rutscht eine der Krücken.
Sie wird liegen bleiben, er kann sich nicht danach bücken.
Mutlos lehnt er sich wieder zurück,
mit tränenden Augen und traurigem Blick.
Er greift nach dem Löffel, seine Hand heftig zittert,
führt sie zum Mund, doch die Hälft’ er verschüttet.
Jetzt nimmt er das Hörgerät aus dem Ohr
und kommt sich einsam und verlassen vor.

So sitzt er da, und die Zeit vergeht,
die knöchernen Hände falten sich zum Gebet.
Mit tiefem Seufzen ganz leise er spricht:
„Lieber Vater im Himmel, verlasse mich nicht!
Ich bitte dich oh Herr und mein Gott,
hilf mir doch hier in meiner Not.
Schließ mir die Augen für immer zu,
dass mein altes Herz so findet die Ruh.
Und lass mich doch, bitte, mit fröhlichem Lachen,
erst am jüngsten Tag wieder erwachen.“

~~Ae~~

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.10.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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