Abschiedsgedanken - Alles im Leben hat seine Zeit

Mein Kopf ist voll
voll mit Gedanken und Chaos
ein Sterbefall in der Familie
irgendwann musste es so kommen
seit Jahren fürchteten wir diesen Tag
den Anruf mit der Todesnachricht
die Nachricht „SIE sind jetzt zuständig“
auch wenn kein Kontakt mehr bestand
weil zu viel Schlimmes vorgefallen war
es ist dennoch der Bruder, der Schwager
für den man am Ende zumindest
die Beerdigung planen soll
Erbausschlagung hin oder her
keiner weiß so recht Bescheid
noch nicht mal die zuständigen Behörden
können wirklich Auskunft geben
„laden Sie ein Formular herunter
und lassen es beglaubigen
bei uns gibt’s Termine erst
frühestens Ende November...“
keiner kann uns wirklich sagen
was wir sonst noch erledigen müssten
selbst die Bestatterin weiß nix Genaues
und ist telefonisch seit Tagen nicht erreichbar
doch immerhin ist die Beerdigung
gemeinsam mit dem Pfarrer geplant
und ein Termin dafür gefunden
noch immer sind so viele Fragen offen
die schlaflose Nächte bescheren
und die Hoffnung auf Klärung
mischt sich mit der Hilflosigkeit
und dem Gefühl von Ohnmacht
inmitten des Dschungels
des deutschen Verwaltungskrams
der unsicher macht und frustriert

trotz allem was war und noch ist
soll der Abschied würdevoll
soll ein Zeichen von Loslassen sein
ein Zeichen von friedvollem Abschluss
mit dem Bruder, dem Schwager, dem Onkel
dessen Leben ebenso tragisch war
wie es endete...

und Peter Maffay singt am Grab
„Alles im Leben hat seine Zeit“


© Anschi, 12. Oktober 2023

Mein Schwager starb am 19. September auf tragische Weise... nächste Woche ist die Bestattung. Heute
nutzte ich meine Schlaflosigkeit, einmal alles aufzuschreiben, was mich aktuell umtreibt.
Es ist die erste Beerdigung, die wir organisieren müssen, weil es sonst keiner tun kann oder will. Und es
bestärkt mich in dem Wunsch, für mein eigenes Ableben so vorzusorgen, dass die Hinterbliebenen dann
dereinst so wenig Chaos wie möglich zu bewältigen haben...Anschi Wiegand, Anmerkung zum Gedicht