Regina Wey
Geisterstunde
*****
Wenn's Mitternacht schlägt, dann schleichen Gestalten
aus finsteren Ecken sich heimlich ins' Haus,
du liegst längst im Bette mit festgekrallten
Händen, und es packt dich der Graus.
Mit angstvollem Zittern blickst du durch das Zimmer,
die Schatten schieben sich drohend heran,
von oben senkt sich ein blutroter Schimmer
aus glühenden Augen in grässlichem Wahn.
Gar schrecklich kreischt es durch die Kamine,
es quietschen und knarren die Balken der Tür,
ganz langsam bauscht sich die weiße Gardine,
sich öffnend zu der gespenstischen Kür.
Das Herz in dir hämmert, als möcht' es zerspringen,
als lautlos ein Schleierwesen erscheint,
und schiere Kälte will dich durchdringen,
wenn flackernde Lichter es um sich vereint.
Ein eisiger Hauch streift dir über's Gesicht,
stocksteif, wie erstarrt, liegst du nun da,
du glaubst schon, es sei das jüngste Gericht,
dein letztes Stündlein sei dir jetzt nah.
***
Doch schlurfend entfernen sich rasselnde Ketten,
ein Heulen zieht noch in die Nacht hinaus,
die Uhr schlägt eins, um dich zu erretten,
die geisternde Stunde, die ist endlich aus.
Erleichtert sinkst du zurück auf das Kissen,
es wartet auf dich ein erholsamer Schlaf,
du kannst ihn empfangen mit ruhigem Gewissen,
den neuen, hellen, dich tröstenden Tag.
***
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.09.2024.
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