Frank-Ulrich Meinhard

Mirjams Verhör

Ich habe die Richter nicht erkannt,

das Licht war viel zu grell.

Sie saßen erhöht, im Halbrund vor mir,

ich stand vor dem Holzgestell.

 

Ihre Stimmen waren schneidend scharf.

Es schien mir wie ein Verhör.

Sie fragten mich immer wieder danach:

„Und das Grab war wirklich leer?“

 

Ich sagte alles, wie ich es erfuhr.

Weggerollt war der Stein.

Ich dachte, da war jemand vor mir am Grab.

Verwundert trat ich hinein.

 

Wo er abends noch gebettet war,

ich schwöre, da lag er nicht mehr.

Noch immer spür ich den Schreck, der mich traf.

Ich sah es, das Grab war leer.

 

Dann sprach jemand „Mirjam“. Ich fuhr herum

und dachte im ersten Moment,

es wäre der Gärtner. Doch einen nur gibts,

der so meinen Namen nennt.

 

Ich konnt es kaum fassen. Der Herr stand vor mir.

Ich umschlang ihn, stürmisch und fest.

„Ich bin es“, sprach er. „Doch bitte ich dich,

dass du mich gehen lässt.“

 

Da waren noch andre. Zwei Engel vielleicht.

Sie sagten: „Frau, weine nicht.“

Ich erinnere mich an ihr helles Gewand,

aber nicht mehr an ihr Gesicht.

 

Ich lief zu den andern. Sie glaubten kein Wort.

Doch zwei liefen schließlich hin

und fanden es so, wie ich es beschrieb:

Das Grab, aber niemanden drin.

 

Ich gab vor den Richtern getreulich an,

was ich gehört und gesehn.

Ich zagte nicht und ich zögerte nicht.

Da ließen sie mich gehn.

 

Sie gaben mir drohend mit auf den Weg:

„Zu keinem Menschen ein Wort!“

Das war gar nicht nötig. Die Botschaft sprang längst

von einem zum anderen Ort.

 

Ich heiße Mirjam. Ich stand unterm Kreuz.

Als er starb, hat die Erde gebebt.

Er ist auferstanden. Er macht alles neu,

ihr Brüder und Schwestern: Er lebt!

 

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