Karl-Konrad Knooshood

Hamburger Schule - This Fuck Goes to Tocotronic

 

"Hamburger Schule",

damals, vor vielen Jahren,

 

"Tiefgründige" Tiefgangs-Texte,

L'AGE D'OR, Independent-Labels,

keine kruden SPEX-Tracks, keine Space-Kekse,

Verkopftes, nicht Unterkomplexes,

ein Munter-Trio, kein Sextett,

Komm mir wie 'n Spielverderber-Arsch vor,

bring ich jetzt derb-barsch vor,

der Urteils-Terminator:,

 

Du hörst immer noch TOCOTRONIC?,

Das ist so verdammt – TOCOTRONIC! – ironic,

die war'n ja mal relativ iconic,

so wie der Sputnik, das Schloss in der Butnik, das Bootleg und Iro-Nick,

mit seiner Punk-Erotik,

und der Kick, den ich krieg,

wenn ich online mein Giro klick,

big Business, Big Coolnick,

nicht mal kess unter Influenz von Alkohol nick,

ich brutal lässig in Trance zum Beat mit,

bin kein Beatnick und steh nicht auf Liedtricks,

wie die drei Palasseniks sie fix fest wahren,

Krummer Sound, erstaunlich schief,

das nennt man wohl "kreativ",

versteht mich nicht stief:,

Ich bin nicht primitiv,

genug für NIEDECKEN und LINDENBERG, Konsorten,

doch, ganz plakativ,

wirken mir diese Ewiger-Student-Retorten,

mit ihren enigmatischen,

oder schlicht pseudointellektuellen Worten,

jenen scheinsmarten Elaboraten,

oder war am Ende jedes Warten,

jeder Sinn und jedes Narrativ,

rein spekulativ? Sind assoziativ,

ihre Texte aufgesetzte Komplexe auf Stativ,

der alte abgezockte, abgelutschte, perspektiv,

verrutschte typisch DUTSCHKE-eske,

piefig-spießige, groteske Anti-Establishment-Revoluzzer-Mief?,

 

Das heißt natürlich nie,

dass ich nun, substitutiv,

irgendwas wie Rechtsrock hörte,

nur weil ich mich, "rein" subjektiv,

am linksverwixten, verflixten Zeitgeist Bedeutungsschwere-Trief,

an Attitüden, Plattitüden, rüden, wüsten Heuchler-Songs störe,

Lieber guck ich in die Flimmerröhre,

und schwöre auf alte Sangeskünstlerheere,

oder am Popschlager-Gedudel,

Dackel oder Pudel?,

Weder noch, deutsches Klischee,

2RAUMWOHNUNG, TOMTE, KLEE?,

Ach nee, kein Wust, kein Genörgel,

lieber BLUMFELD oder DIE STERNE,

- aber nein, die mag ich nicht mehr gerne,

von denen lässt sich nichts mehr lernen…,

 

Schlager sind schmalzig und schwülstig, sind kein Stil, keine Richtung, nur ein reines Genre. Das sich stilistisch überall bedienen kann, vom Country, Bluegrass, Swing & Rock'n'Roll amerikanischer Prägung, insbesondere seit den 50ern, bis in die 70s hinein. In den 80ern mit den damals angesagten, blechernen Synthesizer-Sounds liebäugelnd, ohne hier Namen nennen zu wollen, sind unvermeidlich. Nur ROLAND KAISER, DIE FLIPPERS, ganz schlimm, dann den inzwischen erheblich in die Jahre gekommenen ROGER WHITTAKER, dem, wie gewiss den beiden anderen, findige, gewiefte Schlagertexter und Schlagerproduzenten-Paten, typische Schlagertexte auf den Leib schrieben, die der des Deutschen mit keinem Wort Mächtige (!) phonetisch korrekt sang, sogar mit nur leichtem Akzent. Kaum erkennbarem sogar.

Dass fremde Akzente in der Schlagermusik zeitweilig schwer in waren, ist hier irrelevant.

 

Die Entwicklung ging dann so weiter: In den 80ern verdrängten die stark an launigen Kiddie-Pop oder Deutschpunkrock oder Rock'n'Roll angelehnten Hits der Neuen Deutschen Welle fast vollständig die Schlager-Scheiße, die dennoch überlebte. In den 1990ern dann fing neuerliches Elend an, denn sogar in diesem Prachtjahrzehnt war nicht alles perfekt. Der sog. "Popschlager" wurde modern, der sich stilistisch an damals neuere, technisch bessere Elektronikmusik wie abgeschwächten TECHNO-Varianten, anlehnte, etwa an den Dancepop oder EURODANCE, die beide zu musikalischen Paten wurden – und auf eine besonders kitschig-käsige Variante kulminiert, auch beim unsäglichen GRAND PRIX alias EUROVISION SONG CONTEST überlebten.

Bestes Beispiel für den 90er-Popschlager war der auch in den 80ern existente, damals noch mäßig erfolgreiche WOLFGANG PETRY, der erst in den 90ern, mit neupolierten Versionen seines Hits, stärker denn je reüssieren konnte, erfolgreicher als jeder Schlagermensch vor ihm. Erfolgreicher hätte er kaum sein können. Aus dem Originalitäts- und Kreativitätstief (erstere hatte der Schlager ohnehin selten genug besessen) zog ihn ausgerechnet STEFAN RAAB, der gegen Ende der 90er vorübergehend auch andere zombifizierte Mumien-Genres wieder reanimierte, etwa sich über ostdeutsche Dialekte lustigmachende Coverversionen alter 70er-Gassenhauer ("Ö la Palöma").

Er rettete nicht nur Deutschland aus dem generell miesen Abschneiden beim ESC, mit mehreren nur knapp die Spitze verpasst habenden Songs. Zum Glück hat sich die Tradition wieder geändert, sodass unser liebes Land endlich wieder den letzten Platz belegt – von dem kleinen Ausrutscher 2010 abgesehen – ferner noch einem im Jahr 2017. "Wadde hadde dudde da?" war RAABs vorläufiger Höhepunkt, das dem unter dem Schlager-Alias GUILDO HORN auftretenden HORST KÖHLER (nicht der Bundespräsidentendarsteller späterer Jahre) Ende der 90er flüchtige Prominenz verschaffende "Guildo hat euch lieb", eine lupenreine Schlager-Parodie, selbst im Schlagergewand daherkommend, kam bis auf Platz 7 des ESC 1998. Der Ex-Friseur-Lehrling mit der nicht ganz so perfekten Frisur und schütterem Haar hatte die Herzen nicht nur der Bundesrepublik erobert. Unter dem Pseudonym ALF IGEL, eine klare Anspielung auf Schlagertexter-Gott RALF SIEGEL, hatte STEFAN RAAB den ulkigen aber herzigen Text geschrieben (ja, das mit den Kuhschellen in der Überleitung). Das Kitschige und Käsige des Schlagers wurde nie besser klischeeparodiert. Eines der größten Augenzwinkern der Musikgeschichte!

 

Während TOCOTRONICs Texte bei genauerer Betrachtung mindestens so stumpf wie ein typischer Schlager sind, nur mit intellektuellem Anstrich und man bei der Band doch gelegentlich leicht den Eindruck gewinnen kann, sie reimten einfach nur das Wohlklingendste, Pässlichste zusammen und suggerieren so Tiefgang, wo für gewöhnlich keiner ist, sondern nur ein gähnender Abgrund von Unterm-Strich-Einfallslosigkeit.

Auffällig oft passen die – wahrlich – originellen Songtitel, die höchste Erwartungen wecken, nicht zum Inhalt. Kurz: Große Versprechungen/Verheißungen, kleine Inhaltslieferung. Der visuelle Stil spielt keine Rolle, die Alben-Cover mögen mal originell, mal belanglos sein.

Der musikalische Stil hingegen hält, selbst gemessen am Inhaltlichen und in Korrespondenz mit diesem, nicht stand. Bewusst oder unbewusst wird hier, vor allen Dingen auf den älteren Alben, Disharmonie an Kakophonie gehangen, gereiht, geklebt. Oft wirkt es so, als seien die Melodien entweder Antithese zu den Lyriken – oder als habe man einfach eine Art Alibi namens Irgendwie-Melodie auf die Stücke gelegt.

 

Das Ganze wäre dann quasi Poesiealbums-Vertonung. Eingängig ist das nicht gerade – und somit nicht zugänglich. Man kann tiefere Wahrheiten und (lebens-)kluge Botschaften in eingängige musikalische Strukturen einweben, wie WIR SIND HELDEN, selbst DIE ÄRZTE und TOTEN HOSEN gelegentlich beweisen.

Natürlich gibt es bei TOCOTRONIC auch erfrischende Ausnahmen von dieser Regel, "Sie wollen uns erzählen", 1997 auf dem Album "Es ist egal, aber…" (sic!) erschienen, "Im Zweifel für den Zweifel", "Meine Meisterwerke mehr", "Schall und Wahn" (alle drei auf "Schall und Wahn", 2010), gewiss auch "Samstag ist Selbstmord", "Die Idee ist gut, aber die Welt noch nicht bereit" (beide auf "Digital ist besser", 1995), ferner auch "Let There Be Rock" (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen, legendären Song von AC/DC), vielleicht noch "Mein Ruin" von "Kapitulation" (2007), eventuell auch das thematisch etwas abseits meiner Präferenzen liegende "Solidarität" (2015, vom "Roten Album" oder einfach nach dem Namen der Band benannt, "Tocotronic").

 

Vielfach handelt es sich jedoch um bloßes Geschrammel. Ob das ins Punkige gehen soll? Sicher, zum Teil – und das kann reizvoll sein…wäre möglich. Was ist denn bitteschön noch rebellisch an dieser Band? An den Songs?

Unfaire Fragestellungen, schließlich ist so gut wie kein Sänger und keine Musikgruppe stark geblieben und dem Selbstdenken nicht abgeneigt. Nein, fast alle sind zu willenlosen Mitläufern und Marionetten des Systems geworden, Rollen-Models des politisch-medialen Establishments.

 

Doch zur Rebellion bliebe mir zu sagen:

 

Es war weder Betrug noch Rebellion,

niemals mehr als Lug doch Religion,

im gemachten Nest, Establishment,

Millionär und denn Student?,

Kein Widerspruch, kein Ausschluss in der Zeit,

es war günstige Gelegenheit,

 

Doch in ihrem Endgeleit kam, nicht weit, leider unvermeidlich eine weitere unsägliche Strömung hinzu. Nein, nicht die modernen ESCesken Popschlager, Ohrenkrebs- und Schlaganfall-Verursacher allesamt und und für sich. All die ANDREA BERGs, KERSTIN OTTs, BEATRICE EGLIs, nicht zuletzt HELENE FISCHERs, im Vergleich zu denen selbst "10 nackte Friseusen"-MICKEY-KRAUSE eine Wohltat und der Inbegriff intellektuellen Anspruchs war...

Um Popschlager soll es sich hier jedoch nicht drehen.

 

Anstelle dieser unsäglichen neuesten Schlagerperversion-Inkarnation soll es um eine gefährliche Mutation der sog. "Hamburger Schule" gehen, eine Metamorphose deutschsprachiger Musik, die verheerendste bisher. Eine, die weder so cool und frisch-originell ist wie damals die NDW war, noch positiv ist.

Die Ausgeburt der Hölle, jene Arschgeburt (sorry) des ganzen intellektuellen Independent- und vom US-amerikanischen GRUNGE und ALTERNATIVE ROCK inspirierte Alternativrock, muss irgendwann gewachsen sein – unmerklich wohl. Doch wann und wie – und vor allem warum?

 

Es fällt mir schwer, hier einen konkreten Schuldigen, einen Urheber des unglaublichen Übels auszumachen. Soll man eher dem "Graf", dem rein persönlich, menschlich sehr sympathischen, musikalisch, speziell lyrisch, bedeutungsschwangerer als GRÖNEMEYER und doppelt so schwülstig, rockt aber nicht ehrlich-erdig wie der Meister des Deutschrock, WESTERNHAGEN, die Schuld in die Schuhe schieben?

Oder gebührt der schwarze Peter eher jungen Berufsjugendlichen aus dem bürgerlichen Mittelschichtssalat, jenen CLUESOs, TIM BENTZKOs (2011 fing dessen Misere mit "Nur noch kurz die Welt retten" an) und ein wenig diesem Softie-Freak mit der hässlichen Panda-Maske, CRO? War es am Ende die hustenbonbonbedürftige Reibeisen-Schmirgelpapier-Stimme CASPER (nicht zu verwechseln mit dem genialen YOUTUBER  KASPER)?

Wer auch immer es war: Bis auf wenige Ausnahmen hat sich die deutsche Musiklandschaft (den asozialen Zuwanderungshintergrund-Ghetto-Rap würdige ich keiner weiteren Zeile weiterer Erwähnung) in etwas verwandelt, das der Kabarettist HENNES BENDER schon 2014 trefflich als "Beerdigungspop" bezeichnet hat – ich empfehle sehr seine vielfach auf YOUTUBE und Co. zu findende Parodie auf UNHEILIG, "Unheimlich"…

 

Doch eigentlich handelt 's sich eher,

um Befindlichkeitspop: vermeintlich bedeutungsschwer,

vermeintlich spektakulär intralibertär,

doch tief im Innern wüst, hohl, leer,

nach außen hin oberflächlich, schwächlich,

billig und beträchtlich unterkomplex,

deren Kandidaten wie große Potentaten,

gehypet wie sonst nur russophobe Muster-"Demokraten",

mit Belanglosigkeiten beladen,

wie ein Containerschiff,

es entstand ein Begriff…,

 

Die euphemistisch-optimistisch "Pop-Poeten", "Songpoeten",

genannt werden,

die ungebetenen Woke-Agenda-Erben,

nicht nur die Scherben aufsammeln,

sondern die Verse, Sprüche nachbeten,

predigen und die Kunst töten,

mit ihrem puren Mittelmaß,

mit ihrem platonisch-trivialen Ideal,

von Heile Welt, Tanz und Spaß,

"Menschen-Leben-Tanzen-Welt", wie's einmal,

ein Mann genannt, der nur noch Arschvieh ist…,

 

Wohlfeiles Wohlfühl-Plattitüden-Gebabbel,

hohles Allerwelts-Kalenderspruch-Gesabbel,

geschrieben teils von Teams in Fußballmannschaftsstärke,

für die Teens und Twenty-/Thirty-Someones,

austauschbarere Massenware-Meisterwerke,

aus der Feder gewiefter Produzenten und Kretins…










(11.06.2022)(C) 2025; Knorke Tocotronicood

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.03.2025. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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