Wolfgang Scholmanns

Osterhasentanz

Text: c by Wolfgang Scholmanns

 

https://youtu.be/O0I1D-BR4As

 

Der Frühling hatte Einzug gehalten und begrüßte den jungen Morgen mit einem heiteren Sonnenlachen. Ein milder, in Blütenfarben getauchter Duft erfrischte die Gemüter und hier und da, sah man Bauern, Gärtner und Gartenbesitzer ihr Land bearbeiten.

Auf den Feldern und Wiesen regte sich manch Getier, das sich nun wieder aus seinem Winterquartier wagte, in dem es die meiste Zeit der kalten Jahreszeit verbracht hatte. Singvögel stimmten ihre Lieder an und die Spechte trommelten im rasenden Takt auf alten Baumbeständen herum.

Wir hatten Osterferien und ich war damit beschäftigt, ein Nest zu bauen. In drei Tagen war Ostern und da sollte der Osterhase doch ein schönes, warmes Nest vorfinden, in das er  die bunten Eier legen konnte. Aus kleinen Zweiglein, die unter einer alten Birke lagen, hatte ich einen Kranz gebastelt, den ich, an der Grenze zu der Wiese, die hinter unserem Garten lag, bis zur Hälfte in lockeren Sand eingrub. Aus dem Hühnerstall holte ich Heu und Stroh und legte das Nest damit aus. Das war so weich und gemütlich, dass sich der Osterhase bestimmt darin wohlfühlen würde. Auf den Rand legte ich noch etwas von dem zartgrünen Moos, welches ich am Stamm einer großen Kastanie fand. Dann wurde rundherum noch ein wenig Ordnung gemacht, Laubblätter zusammengeharkt, Steine und abgebrochene Zweige eingesammelt. Nun konnte der Osterhase kommen. Na ja, es waren noch drei Tage bis dahin, aber vielleicht würde er dieses schöne Nest auch schon vorher entdecken.

In der Nacht vor Ostersonntag, träumte ich davon, dass eine Hasenfamilie, in bunten Anzügen und mit Farben und Pinseln bewaffnet, an meinem Nest saß und damit beschäftigt war, Eier bunt anzupinseln. Mutter und Vater Hase mussten manchmal lachen, denn der kleine Hasenjunge, der wohl in diesem Jahr zum ersten Mal Eier bepinseln durfte, sah schon bald aus wie ein Farbkasten. Überall hatte er Farbkleckse, im Gesicht, an Füßen und Händen und sogar an den langen Ohren. „Du sollst die Eier bemalen und nicht Dich.“, lachte der Hasenvater und die Hasenmutter sagte noch: „Sonst wirst Du noch mit einem Osterei verwechselt, hi hi.“ Das alles störte den kleinen Hasenmann nicht. Wenn er auch voller Kleckse war, die Eier die er bepinselt hatte, sahen wunderschön aus.

Als ich erwachte, war es noch Nacht. Der Vollmond jedoch warf sein Licht in unseren Garten und mir war so, als würden an der Stelle, wo ich mein Nest gebaut hatte, kleine, bunte Gestalten umhertanzen. Ich zog meine Pantoffeln und den dicken Strickpullover an und öffnete vorsichtig das Fenster. Hier war ich schon einige Male herausgeklettert und wusste genau, dass mein Fuß gleich die alte Holzbank erreichen würde und ich schon bald wieder sicheren Boden unter den Füßen hätte.

Noch immer tanzten die Drei, von denen ich annahm, dass es die Osterhasenfamilie aus meinem Traum war, um das Nest herum. Als ich mich näher heranschleichen wollte, knallte plötzlich das schwere Holzfenster zu und das Hasentrio war auf der Stelle verschwunden. Meine Mutter, die durch das Fensterschlagen aufwacht war, rief: „Was machst Du denn da draußen, Junge. Komm sofort herein und leg Dich ins Bett. Es ist noch mitten in der Nacht.“

„Mama, Mama, da wo ich das Nest aufgebaut habe, war eine Osterhasenfamilie. Sie haben getanzt. Bestimmt haben sie noch nie so ein schönes Nest gefunden.“ Meine Mutter nahm mich in den Arm und lachte. „Nun leg Dich wieder ins Bett. Da wollen wir morgen doch mal sehen, was sie Dir ins Nest gelegt haben.“

„Du brauchst gar nicht zu lachen, ich habe sie wirklich gesehen. Sie waren ganz bunt angezogen und fröhlich.“

„Ja, ja, mein Sohn, schlaf gut und träume weiter von bunten Häschen, die um  Dein Nest herum tanzen.“

Am Ostermorgen, nach dem Frühstück, gingen wir alle in den Garten.  Mein Nest war voller bunter Ostereier, die in den wunderbarsten Farben leuchteten. Hier und da sah man kleine Farbkleckse auf den Mooskissen und am Rand des Nestes lehnte ein kleiner Farbpinsel. Die Großen glaubten natürlich nichts von dem, was ich ihnen erzählte und so blieben der Mond und ich die einzigen Zeugen des nächtlichen Osterhasentanzes.

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