Sonja Raab

flüchtling in österreich

eine sprache, die ich nicht verstehe
ein land, das ich nicht sehe
wurzeln, die ich nicht mehr fühle
das leben nur erinnerung und mühe
träume nur von gräueltaten
grenzen, länder, dörfer, staaten
eltern mit tränen in den augen
verloren die hoffnung und auch der glauben
spielen mit geschenkten sachen
die zukunft wie ein schwarzer rachen
abhängig und eingesperrt
bilder aus der heimat nur verzerrt
“geh zurück woher du kommst“!
hör ich jemanden sagen
er weiß nicht, was geschah in diesen tagen
wieviele bomben, wieviele tote
und überall das blut- das rote
so viele kinder, die nicht mehr lachen,
zu schrecklich waren all die sachen
verlorene schwestern, verlorene väter
so viele opfer und so viele täter
frauen weinen um ihre männer
und hier sind schönheits-OP`s der renner
und saufen in tirol in den bergen,
drüben liegen leichen in särgen
ihr habt keinen schimmer
wovon auch immer
ihr seht nur den glitter
doch leben schmeckt bitter
ihr habt große häuser und autos und gärten
und sucht euch für luxus noch reiche gefährten
ihr wisst nichts von hunger, von krieg und von tod,
ihr braucht nicht zu leiden, ihr kennt keine not
wir kinder sind opfer von macht und von ruhm
sie brachten uns kinder einfach um
sie raubten uns eltern für öl und für land
setzten unsere häuser lachend in brand
sie schürten den hass und unterstützten gewalt
aggression und zorn geballt
minensplitter in körpern stecken
die ohne versorgung hilflos verrecken
ihr sitzt vor den fernsehern
und denkt es sei spiel
doch nun sind wir hier und es wird euch zu viel
wohin mit den kindern
die euer land überschwemmen?
wohin mit tschetschenen, die euch überrennen?
wer will sie, die männer und kinder und frauen
könnt ihr uns in die augen schauen?
habt ihr angst um eure sichere welt?
macht ihr euch sorgen um euer geld?
merkt ihr, wie gut es euch eigentlich geht?
und wisst ihr, wie es um die kinder steht
die hier in unterkünften hausen
vor denen würde euch nur grausen...
wo kommen wir her und wo gehen wir hin?
ich hab keine ahnung, ich suche den sinn
ich will dein geld nicht und nicht dein land
reich mir einfach nur die hand











bis vor kurzem habe ich hier in meinem geburtsort 40 tschetschenische flüchtlinge betreut, davon etwa 14 kinder. einen mongolischen jungen hatte ich eine woche bei mir, während seine mutter ein zweites kind zur welt brachte- alleine, denn ihr mann blieb in der mongolei. diese "arbeit" zählt nicht als arbeit und wird deshalb auch nur geringfügig bezahlt, aber was ich mitgenommen habe aus dieser zeit ist mehr wert als alles geld der welt. ich danke gott für diese erfahrung. sie macht mich demütig und dankbar.
ich habe zwei monate miterleben dürfen, welche ängste diese kinder hatten, welche erinnerungen, welche aggressionen, emotionen. ich habe ihre herzlichkeit erlebt, die gesänge der muslimischen männer mit gänsehaut am rücken gehört, und das lächeln der vermummten mütter geliebt,wenn sie sich bedankten für die kinderbetreuung.
es war schön. es war wirklich schön.

und erschreckend zugleich, denn die kommentare einiger einheimischer hätte ich lieber überhört.

majun
Sonja Raab, Anmerkung zum Gedicht

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.11.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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