die zehn gebote

Heinz Stein

die zehn gebote

für den kleinen mann

zum dritten jahrtausend

ergänzt

durch ein elftes gebot




jeunesse


Die Idee zu diesen Geboten
entstand im Jahr 2000
auf dem Sinai
beim Abstieg vom Mosesberg
in die Dunkelheit.



Gewidmet
der nachfolgenden Generation!





© Heinz Stein
Bergmannstr. 65
Haus Stein
45886 Gelsenkirchen-Ückendorf
' 0209/25112 oder '+FAX 146161
www.atelierstein.com


lieber gott

wie lang schon ist es her
als moses uns
deine gebote zu tal brachte

auf dem mosesberg
habe auch ich dich gesucht
leider aber nicht gefunden

beim abstieg in die dunkelheit
umklammerte mein herz
ein gefühl der beklemmung
denn unten da erwartete mich
wieder der tanz
um das goldene kalb

die zehn gebote
müssen auf einen aktuellen
stand gebracht werden
dort oben wurde es mir klar
hier ist mein vorschlag
mit einem elften gebot
das erste gebot
- - -

beachte
die folgenden regeln
des zeitalters
der überbevölkerung
denn eigentlich solltest
du erst gar nicht
geboren werden
aber da es leider
nun schon einmal
passiert ist
siehe oben

ob vaginal gezeugt
oder retortenbaby
es bleibt sich gleich

vielleicht bist du auch nur
ein geklonter
unter klonen
das zweite gebot
- - -

tue
nicht das
was du willst
oder möchtest
sondern das
was von dir als
rädchen im getriebe
tagein tagaus
erwartet wird

pünktlichkeit
disziplin
fleiss

die gesellschaft
wenn es dann
noch eine gibt
wird es dir
nicht danken
das dritte gebot
- - -

arbeite
auch an feiertagen
und erfülle
deine pflicht als konsument
besuche regelmässig
die messen
in den einkaufstempeln
wo die hohen priester
der werbung
ihre litanei
vorbeten

höre gut zu
denn nur
der terror des konsums
erhält die wirtschaftskraft
und lässt die kurse
der monetokraten
steigen
das vierte gebot
- - -

denke
möglichst selten
oder
besser nie
und wenn doch
bleibe anspruchslos
denn
nur das mittelmass
ist die hohe schule
der bequemen

sage nie
was du denkst
wenn du denkst
denn die rechtsverdreher
könnten dir
einen strick
daraus
drehen
das fünfte gebot
- - -

töte
den individualismus in dir
denn nur in der masse
kannst du
wie auch immer
überleben

ebenso verfahre
mit deiner phantasie
denn die ist
nicht mehr gefragt

begrabe
alle deine träume
denn die traumfabriken
liefern diese dir frei haus

und du wirst
schön unglücklich sein
das sechste gebot
- - -

glaube
an die macht des geldes
an die unfehlbarkeit
der computerprogramme
an die justiz
mit allen irrtümern
an den hokuspokus
der medizinmänner
und die schizophrenie
der politiker

vertraue
aber keinem
ausser dir selbst

glaube
an den spätburgunder
denn nur im wein liegt
wahrheit
das siebte gebot
- - -

stehle
deinen konkurrenten
die ideen
wenn sie denn
welche haben
denn die haben sie
selbst gestohlen

gebrauche
deine ellenbogen sei brutal
denn damit kommst du
weiter als durch leistung

hoffe
nicht auf solidarität
denn der
verdrängungswettbewerb
kennt keine
gnade
das achte gebot
- - -

verschliesse
deine augen
vor den greueltaten
in der welt
du kannst
als kleiner mann
garnichts
dagegen tun

du bist in deine
unheile welt
hineingeboren
die anderen
in ihre welt des grauens

mitleid hat dort keinen platz

der grosse schöpfer
hat es so bestimmt
das neunte gebot
- - -

lebe
und geniesse
die tage deiner jugend
und auch die nächte
darfst du
nicht vergessen
das alter
kommt meist
viel zu früh

kultiviere
deinen egoismus
jetzt und gleich
damit dein fazit
lauten kann

niemand liebt mich
so wie
ich
das zehnte gebot
- - -

segne
das zeitliche
bald
und das möglichst
unauffällig
nach erreichung
des ruhestandes
um die rentenkasse
zu entlasten
und der gesellschaft
nicht länger
zur last
zu fallen

auch wenn
dein verfallsdatum
noch lange nicht
abgelaufen
ist
das elfte gebot
- - -

vergesse
diese zehn gebote
denn
zur bewahrung
unserer welt
bedarf es
anderer werte wie
glaube liebe hoffnung
selbst widerspruch
phantasie und kreativität
sowie
individualismus
solidarität
auch mitleid
weil es menschlich ist
träume visionen
einen klaren kopf
doch manchmal auch
gebote

Die Idee zu diesen Geboten enststand am 27. März 1999 in Shanghai. Geschrieben wurden die Texte von Karfreitag bis Ostersonntag 1999 nach dem Besuch von Peking und Xian und unter dem Eindruck der Ereignisse im Kosovo. Gewidmet der nachfolgenden Generation!Heinz Stein, Anmerkung zum Gedicht