Abend hat mich so
leer
in die Nacht gewiegt.
Da lag ich nun an
mich selbst verloren
in meinem Bette
und träumte verrucht
Schönes von Annette,
denn endlich hat
Schlaf
Nicht-Schlafen-Können
besiegt.
Wie wir so Haut an
Haut aneinander krallten,
verglühten schwarze
Gedanken in hell-weißer Wüste.
Zahn um Zahn
geschlagen
in mir
entgegengereckte steile Brüste,
hörten wir das
Schreien nicht,
als Geschlechter
aneinander prallten.
Ich greife Terzen,
Quinten und Oktaven,
so leis` erklingt
Septim auf Deiner Haut.
Träumt` davon, mit
Dir zu schlafen,
da rasselt morgens
dann der Wecker laut.
So trunken hin
gedolcht durch süßen Atem
starb feuchte Nacht
vor mir davon.
Von erster Sonne
hingemordet der Liebe Taten,
verklang mein Traum,
vergessen so der
reine Ton.
Eingesperrt in
düstres Dunkel letzter Nächte,
lagst Du so warm, so
weich an meiner Seite.
Gewagt sprang ich
in so jungen Körpers
abgrundtiefe Schächte,
strich ganz zart mit
dem Bogen über eine Seite,
dann wieder irrten
klirrend-schrille Töne in die Weiten.
Ach, wie war doch
Dein Leib so schön,
an den so ganz
verloren war mein Lustgestöhn.
Dann, aus dem Traume
wachte ich auf
in Einsamkeiten.
Du warst so schön,
heute bin ich fast alt,
dabei war meine
Jugend noch nicht kalt.
Sieh Dir doch diese
Männerhände an,
mehr als vier
Jahrzehnte Leben, Wissen,
Begierden kleben
dran.
Wollte bloß den toten
Tumor
Deiner rechten
Schulter küssen,
nie mehr nach Liebe
fragen, suchen,
hoffen müssen.
Im Traum liegt Leben,
Wissen und Begierde
Dir zu Füßen,
doch möchte ich nicht
mehr
allein dort Dich
küssen müssen.
Nachgedanken:
Du gingst einfach
fort, ließt mich allein
in einer Welt voll
Undank, Kälte, Pein.
Sie haben Dich mir
Stück für Stück,
von meiner Seite weg
geschnitten.
Zuerst den Arm. Die
Schulter dann
war aus Metall.
Zuletzt auch die.
Du warst noch gar
nicht alt.
Es ist noch gar nicht
lange her,
da war ich das erste
mal an Deinem Grab.
Niemand weiß davon,
nur Du und ich,
konnte es einfach
nicht.
Vorher wusste ich
nicht, wie er aussah,
Dein Stein: So graues
weiß.
Und wenn man genau
hinsieht:
eine ganz kleine,
weiße Rose
ganz oben im rechten
Eck.
Du warst doch noch
nicht alt.
Ich weine, das erste
mal.
Mir ist soooo kalt.
© Copyright by Lothar Krist (2.2.1998,
an Annette-Sylvia, meine Sivvy, zu ihrem zwanzigsten Todestag. Ihre Mutter hat
mich nie gemocht und sie hat auch nie verstanden, weshalb ich damals nicht beim
Begräbnis war. Ich bin ja zur selben Zeit in die reißende Traun gesprungen –
das Kraftwerk gab es damals noch nicht. Ich wollte einfach nicht mehr. Leider
war das Wasser saukalt und es hat so sehr nach Fisch gestunken – ich habe mich
unter Wasser erbrochen, und dann war ich ja im Sommer davor noch ein letztes
Mal Stadtmeister über 100 Meter Freistil geworden. Ich habe es irgendwie ans
Ufer geschafft. Ihre Mutter hat bis heute davon nicht die geringste Ahnung.
Gestern, am 1.2.1998, war ich das erste Mal an Sivvys Grab. Ich bin wohl das feigste
Arschloch dieser Welt. Aber ich habe es nie ganz bis dorthin geschafft, bin
immer vorher umgekehrt, in ein Lokal gegangen und habe mich besoffen. Seit
damals war ich dann kein verträumter Gutmensch mehr. Ohne Sivvy war selbst
unsere vom großen Rest der Welt so sehr abgehobene westliche Gutmenschenwelt
für mich ein grauenvoller Ort. Ich habe mich an den Realismus verloren, an eine
Philosophie, die einen auch in der Scheiße überleben lässt.)