Claudio Micale
Mosaik
Ich halte die Splitter in der Hand.
Sie schneiden in mein Fleisch.
Ich schließe die Finger
Und balle die Hand
Zu einer Faust.
Knirsch
Ein Rinnsal dunkelroter Flüssigkeit
Fließt über mein Handgelenk -
Warm und schön.
Der Schmerz betäubt das Gefühl,
Ohne dem die Seele stirbt.
Eine Träne erinnert mich daran,
Dass es weh tut.
Ich stehe auf.
Das Waschbecken ist befleckt:
Überall rote Spritzer -
Wie Bastelfarbe.
Ja ... gebastelt habe ich gerne:
Aus unscheinbaren
Kleinen Teilen
Ein Ganzes geformt.
Mit Nägeln und Seilen,
Mit Fäden und Leim
Den Stoff gezwungen,
Die Form anzunehmen,
Die ich mir wünschte.
Linolschnitt.
Die glatte Oberfläche
Durch das scharfe Messer zerstört.
Achtlos die Späne
Weggeworfen.
Ist das Kunst?
Etwas zerstören und zerschneiden,
Um dann zu sagen,
Mit vollem Stolz:
"Das ist mein Werk!"?
Ichhabe das geschaffen:
Durch meinen Willen -
Durch meine Fertigkeit.
Sinn?
Entscheidung, die nicht leicht fällt.
Den Sinn zu suchen
Aufgegeben.
Ein neues Bild entsteht,
Wo ein altes Fragment
Der Erinnerung
Abgelöst wird.
Eine alte Tapete.
Der Leim gelöst
Und die Reste
Weggekippt.
Aus den Augen -
Aber nicht aus dem Sinn.
Denn alles
Findet sich wieder -
Irgendwann.
Farbliche Schönheit
Natürlich
Gespeist.
Dort, wo die Luft
Die Oberfläche berührt hat,
Bleibt die Flüssigkeit stehen:
Regungslos.
Ängstlich.
Dort, wo sie läuft,
Ist es hell,
Beinahe rosa
Und taucht das Bild
In eine warme Welt.
Dämmerung.
Die Sonne versinkt -
Langsam und rötlich.
Die Schwärze der Nacht
Nimmt zu.
Umkreist mich
Mit wachen Augen
Und umfängt mich -
Lullt mich ein.
Ich strecke die Hand aus.
Vermute es wenigstens
Und merke:
Die Kraft versiegt.
Mein Mund ist trocken.
Der Glanz in den Augen:
Verblasstes Holz.
Stumpfes Braun.
Jetzt ist es soweit:
Tausend Augen
Umfangen den ersten
Und den letzten Schein.
Gerade noch
Wusste ich, wer ich war
Und wo alles
Einmal begann.
Da kam auch schon der Engel vorbei
Und führte mich an seiner Hand.
25.01.2000
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.10.2005.
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