Anette Esposito
Romeo und Julia im zwanzigsten Jahrhundert
Als zum ersten Mal sich ihre Augen trafen
verfehlten Amors Liebespfeile nicht ihr Ziel.
Sie wollten aber niemals miteinander schlafen -
Jedoch was nun begann, war mehr als nur ein Spiel.
Es war die große Liebe auf den ersten Blick,
von der man sonst nur in Romanen liest.
Sie sträubten sie sich sehr lang’ mit viel Geschick
und zeigten somit was Charakterstärke ist.
Man durfte sich nicht einfach gehen lassen,
sie war gebunden, hatte Kind und Mann.
Es wollte nicht sofort in ihre Köpfe passen,
dass augenblicklich sich alles ändern kann.
Doch fanden sie sich bald darauf gefangen
von einer Macht, die stärker ist als der Verstand.
Die beiden wurden immer mehr umfangen
von kostbar, fein gewebtem Liebesband.
Man traf sich heimlich, wollt’ sich doch verwehren,
denn ihre Liebe durfte ja nicht sein.
Viel stärker war jedoch ihr Herzbegehren,
in Schwachheit ließen sie sich darauf ein.
Sie schwebten beide in der andren Welt,
wo man nur Leidenschaft und wahre Liebe schmeckt.
Zufrieden lächelnd hat das große Himmelszelt
die Liebenden mit ihrem Schutz bedeckt.
So waren sie wie einst auch Romeo und Julia,
die damals schon, vor lang vergangner Zeit,
und wie so manches andre große Liebespaar,
für ihre Liebe gern zu sterben auch bereit.
Doch konnt’ sie die Familie nicht verlassen,
es stand das Glück der Kinder auf dem Spiel
und manches Mal tat sie sich selber hassen,
denn untreu werden war nie zuvor ihr Ziel.
Auch er nahm sich dann eine Frau fürs Leben,
die er jedoch nie wirklich hat geliebt.
Er konnte nur der einen seine Liebe geben,
die seinem Dasein Sinn und Hoffnung gibt.
Sein ganzes Herz würd’ ewig ihr gehören,
das ihre auch schon lang in seinen Händen liegt.
Sie wollten die Familien nicht zerstören,
der Schmerz der anderen zu schwer doch wiegt.
Ihr Liebesglück, das heimlich sie genommen,
hielt viele Jahre voller Leidenschaft,
denn ihre große Liebe war vollkommen
und gab den beiden immer wieder Kraft.
So oft sie konnten stillten sie Verlangen,
die Zärtlichkeiten waren honigsüß
und alle Himmelsglocken dabei klangen,
wenn sie spazierten durch das Paradies.
Doch immer wieder klagte das Gewissen
die leidenschaftlich’ große Liebe an,
wenn in der Nacht, auf ehelichem Kissen,
voll Schuld man nicht gut schlafen kann.
So hatt’ sie eines Tages still beschlossen,
es dürfe so nicht ewig weitergeh’n.
Die Liebe, wenn auch aus hartem Stahl gegossen,
könnt’ sicherlich in Sünde nicht besteh’n.
Sie trennte sich von ihm mit feiner Lüge.
Ihr Herz sei leider nicht mehr für ihn da,
mit einem Anderen sie ihn bereits betrüge.
Er glaubte sich vor Schmerz dem Wahnsinn nah.
Er wurd’ sehr krank, Verzweiflung ließ nicht hoffen,
es siegte hier am Ende der Verstand.
Sie haben sich nie wieder mehr getroffen,
zurück ging er ins ferne Heimatland.
Die Liebe, die die beiden einst gebunden,
decken nun Gestrüpp und Dornen schweigend zu,
wenn auch, in manchen qualvoll langen Stunden,
findet keins der beiden Herzen inn’re Ruh.
Sie leben voneinander weit entfernt und gut,
und stets schenkt die Familie ihnen wahre Freud’,
doch oftmals quillt mit einem kleinen Tropfen Blut,
aus ihrem wunden Herzen bittres Leid.
In mancher Nacht weint still sie ein paar Tränen,
neben ihrem schlafend’ treuen Ehemann.
und immer denkt sie voller Schmerz und leisem Sehnen
an jenes Glück das niemals sie vergessen kann.
Noch heute steckt an einem ihrer Finger
ein schmaler Ring von ihm als Liebespfand.
Wenn auch von Tag zu Tag die Hoffnung scheint geringer,
dass irgendwann besiegt wird der Verstand.
Das Schicksal geht oft im Leben krumme Wege,
wohin sie führen ist vielmals gar nicht klar
und hin und wieder nimmt man in dem Gehege,
das eig’ne Lebensglück zu spät doch wahr.
~~Ae~~
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.11.2005.
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