Karl-Heinz Fricke
Enttäuschung am Heiligen Abend
Bewaffnet mit meiner Bogensäge
ging froh ich in den nahen Wald.
und auf meinem kurzen Wege
blies ein Wind vom Norden kalt.
Unter den Füßen knirschte der Schnee,
die Stirn tat mir vor Kälte weh.
Bereits am Schwinden war der Tag,
im Walde liess der Wind dann nach.
Nun suchte ich ein Bäumchen, schön,
das ich im Sommer hatt' gesehn.
So grad gewachsen, schlank und fein,
Unser Christbaum sollt' es sein.
Jeder Baum war tief verschneit,
weiß geworden das grüne Kleid.
Welcher von ihnen es wohl war,
den ich im letzten Sommer sah.
Die verkrüppelte Birke wies den Weg
über des erstarrten Baches Steg.
Richtig, das musste das Bäumchen sein.
Die Sonne strahlte im letzten Schein.
Kräftig an dem Stamm gerüttelt
und den Schnee herabgeschüttelt.
Da stand die Tann' in ihrer Pracht.
Vor Freude habe ich gelacht.
Schnell die Säge angesetzt,
beinah hätt' ich mich verletzt,
denn die Finger waren klamm
von dem eisigkalten Stamm.
Hei, dann ging es eins, zwei, drei
mit der flotten Sägerei.
Das Ächzen des Stammes klang wie ein Weh,
dann lag der Baum im weichen Schnee.
Nun aber flugs nach Haus.
Die Sonne war am Untergehen.
Übern Bach und hohe Wehen
kam ich aus dem Wald heraus.
Zu Hause gabs ein froh' Hurra,
dass ich endlich wieder da.
Behutsam lehnte ich den Baum
an die Wand im Stubenraum.
Auf dem Tisch stand schon das Mahl,
die Teller waren schnellstens kahl.
Der Baum war auch schon aufgetaut,
da wurde Wehgeklage laut.
Das schöne Bäumchen stank.
Schnell flog es zur Tür hinaus.
Berieselt hatte es ein Skunk (sprich Skank)
Fürchterlich roch es im Haus.
Der Heilige Abend hatte begonnen,
und Freude auf des Festes Wonnen.
Schnell lief ich in den nahen Ort,
zu finden noch ein Bäumchen dort.
Der Baumverkäufer schloß das Tor,
als ich bettelnd stand davor.
Jedoch er machte noch mal auf,
für einen letzlichen Verkauf.
Was sich bot dort meinen Blicken
waren übriggebliebene Krücken.
Und ich - verdammt nochmal
hatte leider keine Wahl.
Die Missgeburt, die ich erstand,
stellte ich hinten an die Wand.
Sie war mächtig kahl und lang.
Nur ein Glück, dass sie nicht stank.
Karl-Heinz Fricke 20.11.2005
Anmerkung: Diese wahre Begebenheit ereignete sich im Jahre 1968. Sie erscheint noch einmal
vor Weihnachten in einer ausführlichen Kurzgeschichte.
Vorheriger TitelNächster Titel
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Karl-Heinz Fricke).
Der Beitrag wurde von Karl-Heinz Fricke auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.11.2005.
- Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).