Wart ab

(Wart´s ab, wart´s ab. Es kommt, es kommt und nicht zu knapp (Rio Reiser))

Du bist so jung, du bist so schön. Du kannst alles, wenn nicht jetzt, dann später. Du hast die Weisheit mit Löffeln gefressen.
Aber guck doch hin, es hat dich nicht fett gemacht.
Dein Gesicht,
wie 17 und ´nen Glas Milch.

Erzähl mir was. Ja, du hast recht.
Aber morgen sieht´s schon anders aus. Dann wirst du dich nicht mehr selbst erkennen. Du machst Schulden, bei deiner Bank
und deinen Freunden.
Wenn du Glück hast, kannst du die Zinsen bei der Bank bezahlen.
Die Schuld bei deinen Freunden
nie.

Du wirst lügen, du wirst betrügen.
Mit gutem Grund.

Tolle Klamotten hast du jetzt. Du trinkst guten Rotwein,
ein bisschen viel vielleicht. Mit dem Rauchen hörst du morgen auf.
Die Bücher vergangener Tage sind wie eine kalte Verlockung. Zu müde sie nochmal zu lesen.
Sie schmecken wie der Rauch am Morgen.

Du träumst von Outdoor und roten Wangen. Soll der Wind deine Seele doch wiederbeleben.
Mit wem schläfst du heute nacht?

Der Plan wird immer komplizierter. Immerhin weißt du was nicht sein soll.
Aber es kommt.
Duck dich
oder lass die Kugel dein Herz zerfetzen.
Sag nicht, du hast es nicht gewusst.

Der Text ist nicht sehr kryptisch. Es geht weniger um eine arrogante oder zynische Sicht auf die Omnipotenzgefühle oder den Optimismus der Jugend als um das Erschrecken über deren Verlust im Laufe der erwachsenen Jahre.
Wichtig ist mir die "Schrecksekunde" am Ende, wenn nur das Ducken vor dem Leben bleibt oder eben ein als bedrohlich empfundenes Aufbäumen gegen den dumpfen Gang des Lebens. Koste es was es wolle.Carsten Rottmann, Anmerkung zum Gedicht