Annett Boger
Abenteuer
Liebe Oma, Lieber Ops,
hier schreibt euer Enkel Jost.
Ich weiß: Dauernd bin ich schlampig,
Nannte Omas Kuchen pampig,
schwärzte Opas Leselupe,
nervte eure Wandergruppe,
säte Ärger unverdrossen,
bis Mum und Dad und ihr beschlossen:
Dieser Bengel braucht 'ne Lehre.
Ob es wohl nicht machbar wäre,
ihn ins Feriencamp zu bringen,
vielleicht würd' es dort gelingen
ihm Manieren aufzuzwingen
und Vernunft gedeih'n zu lassen,
kurz: ins Team ihn einzupassen.
Ich frohlockte: Kein Problem,
Mädchen satt, kaum schlafengeh'n,
wilde Partys, Abenteuer,
Aufsicht ärgern, Lagerfeuer. -
Tja, nun bin ich eingetroffen.
Unser Zelt ist abgesoffen
im eiskalten Dauerregen.
Nachbarsjunge Christoph Hegen
zog sich wohl bei dem Bemühen
seine Spindtür aufzuziehen
eine Blutvergiftung zu.
Doch damit war lang' nicht Ruh'.
Mücken, Motten, Ungeziefer,
aus dem Nachttisch sprießen Schliefer.
Und vermißt sind Koffer, Taschen,
schön - zwei Wochen ohne Waschen.
Alle da? Wenn wir nicht fehlgeh'n
sind vermißt Jan, Jens und Wilhelm.
Angesagt ist wildes Suchen,
hat sich was mit Tee und Kuchen!
Ich will heim, sofort,
ein Tag reicht an diesem Ort!
Liebe, gute Großeltern,
ihr habt mich doch wirklich gern.
Könnt ihr Eltern überzeugen,
sich der Notwendigkeit zu beugen,
ihren einz'gen Sohn zu retten,
der in Zukunft ohne Betteln
auf des Vaters Worte hört,
niemanden mehr wild empört? -
Doch Moment, die Tropfen fehlen.
Jungs, die lachen, die erzählen,
daß wir Fußball spielen, wetten,
heimlich schleichen aus den Betten,
Füchse jagen, Elfen pfählen,
Schätze in Waldhöhlen zählen.
Das beeindruckt mich nun tief -
Großeltern: Vergeßt den Brief.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.01.2002.
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