Manfred Rust

Als ob

ALS OB

Auch wenn wieder einmal Bomber fliegen, postmoderne Archetypen humaner Diabolik,

auch wenn wieder Litaneien auf uns niederschmettern, Hohelieder kriegerischer

Deutungsmacht,

auch wenn der Schrecken abgewiegelt wird und der Krieg geadelt zur Notwehr bloss

so bleib ich, wo ich bin und ringe nach Empörung und bete um Entsetzen

bleib ich sitzen auf dem komfortablen Einerlei des Friedens um uns herum

und verfluche mein sicheres Refugium nicht wirklich.


Wenn wieder einmal von Menschen nur Leiber bleiben, so unwürdig reglos,

wenn dazu Sirenen heulen und blaue Lichter zucken,

als ob der Tod nur die Komparsen träfe,

dann schweift mein Sinn ins Unverbindliche hinab, bettet sich ein in die

Selbstverständlichkeit des ruhigen Lebens,

das manchmal gar der Spannung mehr vertrüge.


Wo der Schrecken sich alltäglich meldet,

sich die Wirklichkeit zum Treibwild von Kameras machen lässt,

wo der Kommentar der Realität bereits vorauszueilen scheint,

als ob jeder Blutstropfen einer Inszenierung folgte,

da lehne ich mich zurück und klage heimlich nur

im Angesicht der Weltenbrände vor meiner Tür,

desto ferner, je näher sie mich berücken.


Als ob Bedauern ein Trost sein könnte

Entringe ich`s mir floskelhaft und beiläufig,

als gehöre es zum guten Ton in diesem Land

genügsamer, selbstzufriedener Gutmenschen,

überfrachtet von inflationärem Mitleid des Wortes.


Zu mühsam in diesen entfesselten Zeiten,

auch nur die Leichen zu zählen, selbst die telegen drapierten,

die uns allabendlich entgegenstarren,

zu mühsam auch, und nicht nur heute,

die Schuld zu suchen,diese windende Schlange im Janusantlitz

überfressen sitz ich da an unverdaulicher Grausamkeit,

welch Glück, wag ich zu denken, sie einfach

abschalten zu können oder im Papiermüll zu versenken

und sich den Nichtigkeiten zuzuwenden, die unsereinen plagen mögen.


So unbeteiligt mittendrin, abgeschirmt hinter unsrer Friedensfassade,

als ob Unanfechtbarkeit obwalte

und das Schlimme stets ein Ereignis zu sein hat im Woanders

quälen uns perfide Phantasien der Heimsuchung,

diffuse Befürchtung eines jähen Endes,

das mit Macht uns niederwerfen könnte.

Als ob der Preis für unsren Frieden nicht länger genüge,

die Privilegien verzockt, unverdiente ohnehin,

von einer Laune der Geschichte uns blind zugespielt.


Nach Empörung und Entsetzen bleiben wir im Ringen stecken

überernährt vom süssen Leben , blind vor Zuversicht;

bisweilen wagt ein „wehe uns“ die fragile Idylle zu stören,

doch nur ganz zaghaft vermag es uns zu ärgern, noch.

Wo selbst das Böse schon dem Drehbuch folgt,

Gewehre in die Luft sich recken nach Regieanweisung,

wo die Bilderflut den Furor der Wirklichkeit hinfortspült,

Authentisches sich vermählt mit Dramaturgie,

die Distribution des Schreckens sich erdreistet

zu omnipräsenter Gleichzeitigkeit ,schrillem Event

und voyeristisch aufbereitetem Ereignis,

scheint auch die Empörung abgewrackt, das Mitleid ausgewaschen,

nur leise gönnt sich den Triumph,

der jeweils Überlebende

und lechzt heimlich schon nach neuen Sensationen

und befindet sich in bester Gesellschaft.


















Das Gedicht entstand Mitte diesen Jahres als Versuch,
sich selbstkritisch mit der "friedlichen Kuschelecke"
auseinanderzusetzen, in der wir in Mitteleuropa noch leben und wendet sich gegen jedwede Betroffenheitsheuchelei, unter deren Ägide die visuellen Medien ihren Sensationsjournalismus verkaufen.
Manfred Rust, Anmerkung zum Gedicht

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