Manuela Predan
Die häßliche Nachbarin
Auf meiner Stiege im selben Stock,
in meiner Wohnung, in der ich hock,
kann ich´s genau vom Fenster aus sehen
die häßliche Nachbarin, spazierengehen.
Die ist so grauslich wie ein Pratergespenst,
die Augen musst zudrücken, wenn´st vorbei an ihr rennst.
Wie eine Leich, eine verrottete.
Also nicht, dass ich sie je verspottete.
Nicht so direkt, also offensichtlich ihr ins Gesicht.
Nein, das mache ich wirklich nicht!
Da würd ich mich ja genieren, mit ihr zu reden,
ich rede ja nicht mit einer jeden.
Aber so eine nackerte Fledermaus,
so eine verkommene drosselbärtige Oberlaus,
ein kafkaeskes Defizit mit einer Abgrundlichkeit...
na, die bringt mich heut so weit...
Heut treffe ich sie sicher am Gang,
war schon lang micht mehr draußen, sehr lang.
Jö, schau! Da kommt sie, die Kanalratte
mit ihrer zotteligen ausgefranzten Haarmatte.
„Sie sind aber fesch, Frau P., und überhaupt -
Sie, passen’s auf, dass ein Mann Sie nicht raubt!
Eine Frau wie Sie ist wie ein Konfekt –
zu schad zum Zerbeissen, weil so süß es schmeckt.“
Jetzt hab ich’s ihr g’sagt, dieser komischen Birn´!
Die ist nicht nur häßlich, die hat auch kein Hirn!
Ich sag ihr die schönsten Sachen in’s G’sicht -
doch dass ich’s nur auslach´ - d a s merkt die nicht?!
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Mit einer häßlichen Gestalt bin ich öffentlich zwar geächtet, dafür kann ich mich aber ungenierter verhalten - und das macht einem das Leben ja auch einfacher, oder?
Warum ist es also tatsächlich so wünschenswert innen und außen schön zu sein? Das ist ja doppelter Stress...
Manuela Predan, Anmerkung zum Gedicht
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.01.2003.
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