Rolf Bormuth

Der zerbrochene Krug

 
Wir lieben es,
wir wünschten, so wäre die Welt jeden Tag:
alles geht gut, alles funktioniert
 
aber irgendwann kommt er doch, der Regen.
 
Wir sichern uns ab,
wir durchdenken die Dinge wieder und wieder,
alles soll gelingen, alles geordnet verlaufen
 
aber irgendwann ist die Zeit gekommen, Regen bestimmt die Melodie.
 
Wir verlassen uns,
wir wiegen uns in Sicherheit,
alles scheint getan, alles bedacht
 
und dann kommt er, kommt er doch, der große Knall.
 
Wir sind am Boden zerstört,
wir irren umher,
fassungslos und ohne Rat.
 
Doch halt,
in jedem Problem wohnt auch eine Chance,
vielleicht zeigen sich jetzt wo die wahren Freunde weilen,
vielleicht erkennen wir ungeahnte eigenen Reserven.
 
Darum verzehre dich nicht im Fluche,
bündele lieber alle Kräfte für einen Ausweg,
dann kann es werden:
er war nie wirklich zerbrochen, der Krug.
 
 
Gewidmet Bernd Gickeleiter,
der mit einem freundschaftlichen Lächeln alle Scherben zusammenklebte.

20 Jahre Jubiläum wollten wir feiern. Wie immer mietete ich den Saal telefonisch. Es sollte mehr noch werden als "nur" ein Jubiläum: Meine Rückkehr ins Leben nach einem Jahr Krankenhaus wollte ich mit Freunden würdigen. Doch als ich beim Hausmeister wegen dem Saalschlüssel anrief, eröffnete er mir, daß der Raum anderweitig vergeben sei. Es stockte mir der Atem. Wie konnte das geschehen? Ich habe die Termine doch immer telefonisch ausgemacht. Nie folgte dem ein Schriftstück. Einzig Vertrauen galt als Siegel für Verläßlichkeit.

Und jetzt? All die Freunde, wie sollte ich sie in einem einzigen Tag erreichen? Sie haben sich doch auf das Event gefreut, haben Vorbereitungen getroffen, vielleicht andere Termine abgesagt und jetzt sollen sie mit ihren Köpfen gegen eine verschlossene Tür rennen. Nein, das will und kann ich diesen mir wertvollen Menschen nicht antun.

Da kam mir eine Idee, ich rufe einen Freund an, der ein Sportstudio betreibt - er hat doch diesen Übungsraum und noch einen kleinen... Gedacht, getan. Aber, verdammt, da hätten wir keine Tische und nicht mal Stühle. "Hey Rolf, klar könnt Ihr den Saal haben. Ich gehe dann eben mit meinen Leuten in den Nachbarraum - und zum Sitzen nehmt Ihr die Tische und Stühle von der Kaffee Ecke."

Danke, lieber Bernd, das ist eine großartige Geste.

Reichtum liegt oft dort wo man ihn zuweilen weder vermutete noch suchte. Tolle Menschen kennen zu dürfen, ist bestimmt ein besonders großer Reichtum.

Und Reichtum liegt sicher auch in der Fähigkeit, aus "Regen" und Pannen zu lernen. Vielleicht ist hier die Quintessenz für die Zukunft, mehr Dinge schriftlich zu machen - und wenn es eine harmlose Mail für einen noch harmloseren ganz anderen Grund ist, in dem so ganz nebenbei die eigentliche Vereinbarung veriviziert wird. Einerseits bestimmt ein wenig schade, andererseits schont es einem vielleicht viele kostbare Nerven und schafft Klarheit.

Herzliche Grüße, Rolf
Rolf Bormuth, Anmerkung zum Gedicht

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.11.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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