Julius Josef Mayer
Nachtgesang
aus der Waschküche beim Haus,
Nebeldunst wurd’ weggeblasen,
zwängte sich durchs Fenster raus.
Kleidung hing an Wäscheleinen,
Frisch gewaschen, aufgereiht,
und im Kessel kochte Leinen,
aus dem Waschtrog abgeseiht.
Betörend roch im Mai der Flieder,
mit Wehmut denke ich daran,
die Mutter sang Balladenlieder,
vom Marktgraf und vom Räubersmann.
Ihre Stimme formte Lieder,
diese drangen durch die Nacht,
sie berührten Geist und Glieder,
erfassten uns mit Zaubermacht.
Alles klang so melancholisch,
und es mischte sich ihr Klang,
eigentümlich, diabolisch,
seltsam, mit dem Nachtgesang.
Müde lauschten wir den Weisen,
die uns wiegten sanft zur Ruh,
und sie führten uns zu Reisen,
lotsten uns dem Traumland zu.
Das Gefühl als wär es eben,
erleb ich zwischen wach und Traum,
bohrend drängt’s in mein Erleben,
schafft spontan sich in mir Raum.
Damals fühlte ich die Sorgen,
nicht in ihrer ganzen Macht,
und ich sah, am nächsten Morgen,
die Tränen nicht der letzten Nacht.
Zurück zu jenen Kindertagen,
wünsch ich mich zu mancher Zeit,
als wir der Mutter leises Klagen,
noch hielten für Glückseligkeit.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.12.2006.
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