In München wurde eine Frau von einem Mann umgebracht. Er hatte ihr mit einem Messer die Kehle durchschnitten - und sie verbluten lassen.
Die Tat wurde vor Gericht abgeurteilt, sie wurde als Mordsache verhandelt. Der Täter bekam lebenslängliche Haft und ist somit nach deutschem Gesetz ein Mörder.
Die örtliche Presse berichtet nach der Urteilsverkündung:
„Brutaler Mörder erhielt seine gerechte Strafe“.
§ 210 des StGB (Strafgesetzbuch) besagt:
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
Vorstehender Originaltext wurde dem StGB entnommen
In Hamburg hatte sich ein Rentner (77 Jahre) mit Schlaftabletten ins Jenseits befördert. Es dauerte 4 Wochen, bis die Nachbarn durch „Geruchsbelästigung“ bemerkten, dass etwas in der Wohnung des Rentners nicht stimmte.
Aufmachung in der Hamburger Presse:
„Selbstmord in Wohnung. Toter wurde erst nach 4 Wochen gefunden“.
In beiden Fällen spricht nicht nur die Presse, sondern auch die Allgemeinheit von Mord bzw. Selbstmord.
Den zuerst geschilderten Fall braucht man nicht weiter kommentieren, da es klar war, dass der Täter ein Mörder war.
Mit dem zweiten Fall jedoch, hatte ich so meine Probleme. Je länger ich über die Zeile dieser Überschrift nachdachte, desto trauriger und missmutiger wurde ich.
Auf beide Fälle wird der Begriff des „Mordes“ projiziert, obwohl dies realistisch bzw. juristisch nicht haltbar ist.
- Es ist kaum anzunehmen, dass sich der Rentner aus Mordlust mit Tabletten das Leben genommen hat;
- ebenso wenig dürfte die Befriedigung seines Geschlechtstriebes eine Rolle gespielt haben;
- aus Habgier oder niederen Beweggründen wird er sich auch nicht von uns - verabschiedet haben;
- von Heimtücke bzw. Grausamkeit lässt seine Tat nichts erkennen;
- mit gemeingefährlichen Mitteln hat er auch nicht gearbeitet, er hat lediglich die Tabletten genommen;
- er wollte und konnte auch keine andere Straftat mehr ermöglichen oder verdecken, da seine letzte Handlung endgültig war.
Nach gängiger Rechtslehre hat er zwar getötet – aber in diesem Falle nur sich selbst.
Am 30.01.2007 hatte Frau Maischberger im TV zu einer Talkrunde zum Thema Depressionen eingeladen.
Unter anderem war eine Dame eingeladen, deren Ehemann unter starken Depressionen gelitten und sich aus diesen Gründen selbst umgebracht hat. Grundsätzlich wurde in diesem Fall (und ähnlichen) nur von „Selbstmord“ gesprochen.
In meinen Augen ist es eine unmögliche Sprachregelung – die uns hier seitens der öffentlichen Medien entgegenschlägt.
Generell wäre hier zu hinterfragen:
„Was hat ein „Selbstmörder“ überhaupt mit Mord zu tun?
Nach dem deutschen Strafrecht ist es doch unmöglich (siehe oben), dass sich eine Person selbst umbringt.
Die Aussage, dass der Rentner „Selbstmord“ begangen hat, ist ja nicht nur eine lapidare Formulierung in der Presse. Nein – die Familien hatten einen Selbstmörder unter sich. Wie unangenehm und peinlich diese Aussage sein kann, habe ich gesprächsweise von einigen Bürgern erzählt bekommen.
Das Anhängsel „…..mörder“ ist das Problem, um das es sich hier handelt, denn dieser Begriff ist mit negativen und bösen Attributen besetzt.
Abschließend wird von mir bemerkt:
Jeder Mensch hat das Recht auf einen humanen Tod!
Wenn ein Mensch, im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, den Entschluss fasst, sich von den Lebenden zu verabschieden, so gehört dazu sehr viel Mut.
Wie er diese Verabschiedung durchführt, bleibt im selbst überlassen, in den meisten Fällen könnten wir sowieso nichts an seinem Vorhaben ändern.
Ich möchte eine Lanze für alle Personen sowie deren Angehörigen brechen, indem ich feststelle, dass es keine Selbstmörder oder Suizidenten gibt, sondern lediglich Menschen, welche den „Freitod“ gesucht haben.
Der Begriff „Selbstmörder“ wie auch sein lateinischer Vetter der „Suizident“ müsste als „ad absurdum“ geführt und somit möglichst schnell „ad acta“ gelegt werden.
Richard von Lenzano
© 01/2007