Ditar Kalaja

virtuelle verführung


ich gehe mal wieder ins netz
wie immer ist es klebrig
man hängt wie ein nasser sack darin
und ist unfähig sich zu befreien...
ich versickere darin, verschmelze
bin ich der letzte, der allerletzte?
ist das mein neues zuhause
und gibt es hier einen himmel,
wolken, erde und wasser?
wo gibt es hier einen guten cafe?
chili con caren oder sushi?
gerüche?
nichts duftet geschmackloser
als ein chatroom
der hintergrund von ruinenlandschaften
oder duftet es hier inzwischen wie auf
dem land.. voller wissenslücken
wie im glasgarten, da wo sich
die zeit verirrt und kein moment
erhalten bleibt...
gegoogelt
aus wasser geformt erstarrt
verschwindet das lebenslicht flackernd...
wer genießt es?
nur der strom küsst sanft die synapsen
die die leere zumuten
sind wir schon alle drin im web?
leere gänge, kahle wände
in weißes tuch gehüllte stimmen
die uhren längst stehengeblieben
die pforten längst geschlossen
zur vergessenen welt der realen sinne...
ein tröpfenweises versickern
in den mailaccounts die
schön aus dem bildschirm grüssen
die komparsen aus dem alptraumstudio
verseuchen das szenenbild
das schwarze loch der nichtkommunikation
und hören auf zu schlafen
und träumen weiter vom
swinging silicon valley...
you-tube lässt sich blicken
die darsteller springen nackt durch das zimmer
das video in zensierter version
in den nachrichtensendungen...
komm, komm doch herein
komm traum, komm
die wahrheit tötet dich
zurück bleibt der abdruck des gesichtes
eine negativmaske ohne zweifel...
eine merkwürdige mischung aus panik
aktionismus und erlösungshoffnung
keimt auf ein landstrich abgesteckt...
ein kommunikationsnetz im speerfeuer...
es existiert dann nur noch der gedanke
das reicht aus um hier drin
nicht zu ersticken, sich nicht übergeben zu müssen...
ich bevorzuge die kälte, der virus-scanner
schützt sich vor mir, die spyschutzwände
wirken rissig, ermüdend - porös
ein kompletter anti-anti-anti-schutz
obwohl es bekanntlich irgendwann egal ist
ob virus, trojaner, spion oder schutz
es tut einfach nur weh...sauweh...
und ich sitze hier, um mich vor
mir selbst zu schützen
aber es macht mir nichts aus
denn was niemand weiß ist
ich kann diesen ort verlassen
ja wirklich
und dann entdecke ich allerlei absonderliches
und all das schreibe ich auf
wenn ich wieder zurückkehre
wenn ich wieder zurückkehre...
ja, ich war im web und hab alles gesehen
ich weiß, dass die welt digital geworden ist
und nicht nur hier, auch draußen
vor der tür, außerhalb des virtuellen raumes.
und als ich das erkannte
was es wirklich war das netz,
stellte sich mir die frage:
kann ich hier noch „ich selber“ sein?
wird man zur datei? ein haufen pixel?
man sieht hier keine gefühle,
sie werden nicht konsumiert
sondern vakuumverpackt und verschenkt
ist ein freizappeln aus
der digitalen ursuppe möglich?
im kleinen glück gefangen
ohne maß, die welt lässt sich nicht aus
der zukunft reißen?
eine geisterhafte euphorie ohne cursor
welche die minuten aus der zeit auslösen
ruhelos entwickelt sich die suche
nach der sucht, der lust, dem verlangen
die alles frisst und vieles zerstört
und jede form von unschuld raubt

ich stauche meinen zweifel zusammen
jahr um jahr zieht ins land
die welt bleibt weiterhin in weiß gehüllt
das leben wartet...
lügen erleichtern den augenblick
eine freifallübung der seele

bin ich übrig???
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.03.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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In meinen Gedichten, schreibe ich mir meine eigene Realität, meine Träume auch wenn sie oft surreal, meistens abstakt wirken. Schreiben bedingt auch meine Sprache, meine Denkmechanismen mein Gefühl für das Jetzt der Zeit.

Ich vernehme mich selbst, ich höre tief in mich rein, bin bei mir, hier und jetzt. Die Sprache ist dabei meine Helfershelferin und Komplizin, wenn es darum geht, mir die Wirklichkeit vom Leib zu halten. Wenn ich mein erzähltes Ich beschreibe, beeinflusse, beschneide, möchte ich begreifen, wissen, welche Ursachen Einflüsse bestimmte Dinge und Menschen auf mein Inneres auf meine Handlung nehmen, wie sie sich integrieren bzw. verworfen werden um mich dennoch im Gleichgewicht halten können.

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