Wilhelm Pfeistlinger
Heimfahrt
(Gedanken nach deinem Abflug)
- I -
Du landest
Andere steigen auf
Wieder andere steigen hinab.
Einer fährt
ein zweiter in ihm atmet ein
ein dritter in ihm atmet aus.
Erloschen die Stadt
die Plätze gehören den Katzen.
Und die Sonne und die Unschuld
Am Straßenrand
ein kahler Baum
Die Astgabeln stechen beinah den Himmel an
Auch den Baum hungert
Doch der Baum ist genügsam
Wasser und Brot, Regen und Sonne
Himmel,
die Katzen wollen bald klettern.
Wie sonst die Unschuld bewahren?
Jede Astgabel
eine Krone der Schöpfung
Glanz beschenkt uns mit Schatten
Brücke
geschlagen
zur Erde
Bist du gelandet ?
Sind andere aufgestiegen
wieder andere hinab ?
Einer fährt
ein anderer in ihm sucht
ein dritter in ihm wurde gefunden.
Ein Wort
in der Mehrzahl
liegt auf Spaniens Straße
Der Dichter
wusste vom Vielen im Einen
Mitzuteilen das Unteilbare schrieb er
Soledades
- II -
Aufgang ist nicht Untergang.
Einander Boten sind sie, Übergang.
Gehen, gehen.
Bleiben
Spuren im Vorübergang.
- III -
Die letzte Furcht:
Nichts mehr fürchten
zu müssen.
Nicht einmal mehr sich selbst,
nicht einmal mehr die Furchtlosigkeit.
Einzig
Angst:
Nur noch sich ängstigen
zu können
vor Nichts
- IV -
Immer musst Du das letzte Wort haben Tod.
Und deshalb Tod
sind deine Tage gezählt.
Wer geliebt wird, zählt schon die Stunden.
Wer liebt, hat das Zählen verlernt.
- V -
Dich nicht sehen.
Du blickst nicht.
Du nicht
Doch
Dich hören
Deine Pupille starrt
deinen Schrei in die Luft.
Finsternis
lichtet sich
im Schall
Schweigen wir
Dich Hören
sichtet
Dich
- VI -
Ich komme nach Hause.
Ich setze mich und gehe herum. Im Hause.
Ich bin nicht
Ich
nicht
Ich hause.
- VII -
Der Schlüssel sperrt nicht mehr gut.
Weniger lässt sich nicht sagen.
Mir ist zum Reimen zumut’.
Mehr lässt das Wort sich nicht schlagen.
Um das Bild, um den Klang
Um das I und das A
Den Sinn und das Ja
Tut mir leid, ist mir bang.
Sie fehlen im Wort!
Schlug ich sie fort ?
Doch Wort ohne Ort
folgt Ort ohne Dort
Nun hat er endlich gesperrt.
Eintritt bezahl ich mit Angst.
Mir fällt der Mut auf die Erd’
Reim klebt auf Heim
Da, nimm dir, was du verlangst!
- VIII -
Jetzt sperrt er wieder mühelos.
Wie viel verlangen sie ?
Nur noch der letzte Schliff
Habe ihm gefehlt
Die Perfektion
Nicht erst das Fehlen des Schliffs
Die Tatsache allein gemahnt
Die Existenz
Immer nur zu Hause. Nie sein.
Kaum der Rede wert.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.02.2003.
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