Anette Esposito
Der Keuschheitsgürtel
Ach, wie war es doch vordem
in Keuschheitsgürteln unbequem.
Die Dinger, wie geformter Stahl,
war‘n ähnlich einer Marterqual.
Fürs Ritterweib, das blieb allein,
auf Maß, mit Schloss, so musst‘ er sein.
Zog einst der Ritter in die Schlacht,
wurd‘ dieser Gürtel zugemacht.
Den Schlüssel nahm er sich dann mit,
nachdem verschlossen war der Schritt,
damit sein holdes Eheweib,
das nur für seinen Zeitvertreib,
ihm treu blieb, war er länger weg.
Das war des Gürtels Sinn und Zweck.
Das arme Weib!
Nun saß das Ding um ihre Scham,
so eng, dass man nicht drunter kam.
Das war ihr aber nicht egal,
bat um den Schlüssel, manches Mal.
Zwar fiel es ihm auch oftmals schwer,
doch gab den Schlüssel er nicht her.
Der Zweifel stand ihm im Gesicht.
Er traut‘ den Argumenten nicht,
dass morgens, wenn dem Bett entfleucht,
sie doch den Schlüssel sicher bräucht‘,
um ihrer Notdurft nachzugeh‘n.
Das kann man schließlich gut versteh‘n.
Sie könnt‘ sich nicht mal gründlich waschen.
Wie sollt‘ sie einen Mann vernaschen?
Das arme Weib!
Das scheint bis heut mir sonderbar.
Wie sie‘s ertrug, ist mir nicht klar.
Er wurde doch ganz sicher nass
beim warmen Bad im hölzern‘ Fass.
Nicht sehr bequem bei Tag und Nacht
hat er bemerkbar sich gemacht
und drückte, rieb, wo sie nun saß,
sodass sie niemals ihn vergaß.
Auch Spuren hinterließ er, blau,
auf zarter Haut von mancher Frau.
War nun der Mann für Wochen weg,
wurd’s sicher schlimmer - ach du Schreck.
Denn immerhin war noch das Schloss,
das ständig rieb am Frauenschoß.
Das arme Weib!
Doch galt vorzeiten schon die Frau
als listig und zudem auch schlau.
So kam ihr plötzlich in den Sinn…
Sie lief zum Schmied, dem Dietrich, hin
und klagte ihm ihr bitt‘res Los,
dass wund sie sei an ihrem Schoß.
Der Gürtel kniff sie im Gesäß
und keinen Schlüssel sie besäß.
Sie flehte, drängte ihn sogar,
nun um ein zweites Exemplar.
Die Tränen flossen wie ein Bach.
Der junge Schmied gab gerne nach.
Derweil ihm dieses Weib gefiel,
war wenig Mitleid nur im Spiel.
Das schlaue Weib!
Geschwind hob sie den Rock empor,
dem Dietrich sang ein Engelchor.
Ganz hurtig war das Schloss geknackt.
Dicht vor ihm lag das Weib jetzt nackt.
Gespreizte Beine, gertenschlank.
Er vor ihr auf die Knie sank,
genoss den Anblick, den sie bot
und übergroß schien ihm die Not.
Warf diesen Gürtel hin samt Schloss,
küsst’ leidenschaftlich ihren Schoß,
worauf sie insgeheim verpicht,
denn prüde war sie schließlich nicht.
Genau das hatte sie im Sinn -
und voller Lust gab sie sich hin.
Das listige Weib!
Nachdem sie wieder aufgewacht‘,
nach Schäferstunden später Nacht,
fing sie erneut zu klagen an
in Furcht vor ihrem Rittersmann.
Käm jener heim von großer Schlacht,
hätt auch den Schlüssel mitgebracht,
würd bald er hören in der Stadt,
dass sie ihn doch betrogen hat.
Wenn nun kein Gürtel mehr drumrum,
brächt‘ er sie sicherlich gleich um.
Geschickt der Schmied, den nichts verdross,
er schmiedete ein gleiches Schloss.
Dem Schlüssel nahm er selbst sich an,
- wer weiß, ob man ihr trauen kann.
Der schlaue Schmied!
So bot er nun dem jammernd‘ Weib
sein‘ Hilfe an, zwecks Zeitvertreib.
Ab jenem Tag wurd‘ in der Nacht
geküsst, geliebt und viel gelacht.
Ging er im Morgengrauen fort,
war auch der Gürtel wieder dort,
wo er die Treue gut bewacht‘,
doch nur am Tag, bis stets nach acht.
Und irgendwann war‘s dann geschehn.
Man konnt‘ sie blass, fast kränklich sehn.
Ihr Leib schwoll an, wurd‘ dick und rund.
Das wurd‘ dem armen Ritter kund.
Geschwind ritt er nach Haus zurück
und fand sein Weib im Hoffnungsglück.
Der arme Mann!
Er stieß sie in das Schlafgemach,
hob hoch den Rock und schaute nach,
ob noch des Gürtel’s Schloss am Schoß.
Doch fand er’s vor, wie er‘s verschloss.
Erfreut darüber war der Tor.
Nur kam es sonderbar ihm vor.
Rasch wollt er wissen jetzt den Grund,
ob auch sein Weib noch sei gesund.
Da küsste sie ihn voller Gram,
warf schluchzend sich in seinen Arm:
„Der Gürtel ist ein Hexenstück
und trägt die Schuld am Missgeschick!
Er hat zum Bösen mich verdammt,
mir seinen Zauber eingebrannt.“
Das arme Weib!
Der Ritter hat zwar dumm geschaut,
doch seinem Weibe gern vertraut.
Er warf sogleich im Überdruss
den Keuschheitsgürtel in den Fluss.
Und eines Tags, im Monat Mai,
vernahm er eines Knäbleins Schrei.
Als er erblickte sein Gesicht,
zu seinem Weib verwundert spricht:
„Schon komisch, wie der Bub ausieht:
So blaue Augen, wie vom Schmied.“
Sie lächelte erschöpft ihn an
und sprach zu dem betrog‘nen Mann:
„Das ist bestimmt nicht sonderbar.
Sein Werk doch dieser Gürtel war.“
Und die Moral von der Geschicht‘:
Vertraue deinem Weibe nicht!
Will dich die Frau betrügen doch,
schafft sie es auch durch’s Schlüsselloch.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.05.2007.
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