Joe R.
Die Uhr
Sie war tief unter alten Zeitungen versteckt.
So mein' ich, lohnten sich doch noch die vielen Stunden.
Als ich schon gehen wollt', hab' ich sie erst entdeckt.
Zu Hause lachte ich noch über den Verkäufer.
"Mit dieser Uhr", so sprach er, "reist man durch die Zeit."
So was erzählt ja nur ein Spinner oder Säufer.
Und wer es glaubt, der ist bei Gott nicht ganz gescheit.
Du feines, unscheinbares Ding in meinen Händen,
lass' mich mal seh'n, ob du vielleicht noch funktionierst!
Wozu viel Geld an einen Uhrmacher verschwenden?
Selbst bist du Mann, doch nur, wenn du es auch probierst.
Den goldnen Stundenzeiger fing ich an zu drehen.
Linksrum - ganz langsam - nur ein klitzekleines Stück.
Etwas ganz Sonderbares ist dabei geschehen.
Die andern Uhr'n im Haus liefen, statt vor, zurück.
Um diese Zeit war ich vom Flohmarkt heimgekommen,
wo ich vor unserm Haus die Frau mit Dackel sah.
Ich ging zum Fenster - hätt' es niemals angenommen:
Unglaublich! Wieder stand dieselbe Frau nun da.
Was stellt man an mit solchen mächtigen Geschenken?
Ich dachte grinsend an ein bisschen Glück im Spiel.
Warum denn nicht die Lottozahlen etwas lenken?
Der letzte Samstag war das neue Reiseziel.
Gesagt, getan - gedreht - und ab zum Lottoladen.
Doch fielen mir die Zahlen nicht mehr alle ein.
Vier Richtige können gewiss Niemandem schaden.
Nur dafür wird die Uhr ja wohl zu schade sein.
Im letzten Monat kam ich spät zu einem Kunden,
deshalb schloss er den Handel auch woanders ab.
Also zurück… beinah' hätt' ich ihn nicht gefunden.
Wusst' nicht mehr was ich machen wollt' - war ziemlich knapp!
Vielleicht mal eine Nacht über die Sache schlafen.
Alles in Allem war es doch ein bisschen viel.
Schließlich muss auch das größte Schiff mal in den Hafen.
Ich brauche Ruhe, vor dem Blick aufs nächste Ziel.
Drei lange Tage ließ ich diese Uhr dann liegen.
Dachte darüber nach, was fehlt mir wirklich hier?
Zurück zu einem ganz besondern Menschen fliegen.
Entschluss gefasst: Mein Weg führt mich zurück zu dir.
Die Zeiger schnell und schneller linksherum getrieben.
Leuchtende Augen sehen diesen Tag im Mai.
Es ist uns einfach nicht genügend Zeit geblieben.
Kalenderblätter zogen viel zu rasch vorbei.
Das Ziel erreicht - den Tag, als Glück beginnen sollte.
Ich saß auf meinem Stuhl, und starrte an die Wand.
Konnte mich nicht erinnern, was ich hier nun wollte,
eine mir unbekannte Uhr in meiner Hand.
Ich ging hinaus zum Fluss, wo die Verliebten standen.
Ein Pärchen sah ich an, und sie schauten zurück.
Zwei junge Menschen, die sich wohl gerade fanden.
Still wünschte ich den beiden lächelnd Alles Glück.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.06.2007.
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