Elnaser Abdelwahab

Gebet eines toten Kindes bei Kana

(am 31.07.2006)

Sie riefen mich im trüben Morgengrauen,

die vielen Fremden, die vorübergehn

und wollten ihren Augen nicht mehr trauen,

 
als sie mich fanden. Die, die lange stehn,

 

dachten dann fast, ich sei die Bildikone

einer Madonna,  bleich, im Sterbekleid :

Ein feiner Draht, verdreht zur Stachelkrone,

zierte mein Haupt in stiller Seligkeit.

 

 
Dann wurde aus dem Staunen ein Verlangen

und ein Entsetzen, da ich lange schwieg.

Sie sahen wie das Blut auf meinen Wangen

aus offenen Wunden und aus Adern stieg

 

und ließen die Gewänder plötzlich fallen,

in denen sie mich hielten über dem

den Trümmern ausgegrabenen Erhallen

der Kinderrufe wie ein Schutzemblem.

 

Bald meinten sie, ich hätte mich entschieden,

der welken Welt voreilig zu entgehn

und glaubten, dass mein nie erblühter Frieden

in Himmeln reifte, wachsend im Erstehn.  


Doch was sie staunend nicht begreifen konnten,

was dort entstand, im dunklen Kämmerlein,

- da meine Lider mich verschweigen wollten - :

Mich wandelte mein Schmerz in hellen Schein!

_____________

Ich rauschte mit dem Zittern einer Rebe

durch die die Winde taumeln, unvereint.

Und viele sahen wie ich trunken bebe,

wie ich in roten Blütenkelchen hebe,

 
die Nacht hervor, wenn meine Mutter weint.


Und meinem Vater wurde in den Tagen,

als stürzt’ er sich in Feuermeere rein

und konnte keine frommen Wünsche wagen,

 
denn jede Welle musste ihn dann fragen,

wird ihre Brandung seine letzte sein ?

Wird er die Sühnen meiner Sünde tragen,

die Samen meiner ausgesprochnen Not  ?

Und diese Saat, wird sie mit ihm auch ragen,

um auszustehn und um dann doch zu wagen

Dich anzuflehn, O Gott : Mach mich nicht tot ?

Ich lebe noch , doch mein Gewand ist rot !

_____________

Wie sonst geschieht, dass ich so zu Dir rede,

Du Herr der nachgebliebnen Schmerzlichkeit ?

Wie, wenn ich strahlend auferstehe ? Jede

der lichten Wunden spricht ein Benedeit,


auf dass kein Tod aus fern gelegner Reede

mich heimlich zieht an tiefe Schweigsamkeit.


Ich strecke meine Hände aus der Zeit

und suche nach dem Stern der Dunkelheit

und gieße meine Tränen in den Wogen

des breiten Meeres meiner Traurigkeit


Gib meinem Sterben keine Sterblichkeit.

_____________

Gib ihm die Stärke eines Feuerbrandes,

wenn aufgebracht im Herzen meines Landes

er brausend treibt die feine Flucht des Sandes

und wirbelnd sie in wüten Stürmen zweigt.

 

Und schreib es auf in einem großen Bogen

In den Kapellen und in Synagogen,

wo Pharisäer und wo Priester logen

als sie dort sangen von der Menschlichkeit



Du Gott, erzähle von dem Wasserkruge

aus dem die Kinder, wie in einem Fluge

verängstigt tranken, gleich dem Vogelzuge,

der schwebend flatterte vor Durstigkeit.

 

Und seine Angst verriet die Örtlichkeit.


Da flogen Ungeheuer aus den Talen

und schwere Bomben, bunt und schrägbemalen,

erhoben sich und streuten ihre Qualen

auf dieser Kinder schmalen Ärmlichkeit.

Dann strömten aus den Häusern goldne Gluten,

als ob auf weiten Feldern Rosen blühten

und ihre Säfte, hoch in Leidensfluten,

die Feuer lösten aus der Duftigkeit.

Und aus dem Krug verquoll des Blutes Röte

denn viele Kinder lagen da als böte

ihr Augenmerk der höchsten Not der Nöte 

- in ihrer tiefempfundnen Einsamkeit -

die Seelen an, wohlwollend als sie kam

- ganz unverhüllt im Anblick ihrer Scham -.


Da suchte sie den losen Bräutigam.

zu ihrer unermessnen Furchtbarkeit.


Und an den Leibern roch sie ihr Balsam

und schaute uns begehrend an und nahm

uns triefend auf in ihren dunklen Gram

- erquickt vom Tone unsrer Kläglichkeit- .

_____________

Und Jesus stand am Tor vom Paradiese

und wünschte sich, dass man ihn führen ließe

aus Deinen Gärten, dass er zu uns fließe

im Niederschlage der Verheißenheit 


Und seine Augen, gleich einem Juwel,

schienen uns weinend an. Wie ein Befehl

sprachen sie leis : "Zerbreche Israel

an Deiner stolzen Eigenmächtigkeit !"

 

Dann nahm er mir den Zorn und wundersam

tat er ihn ab. Als ob er sie vernahm

sang er die Abendrufe des Islam,

die fern erklangen in der Ewigkeit :

 

"Der größer ist, als dass ihn jemand kannte,

befiehlt alleine herrschend auf dem Thron.

Kein andrer gibt als Sein herab gesandte,

der stets Gelobte, kund von Seinem Ton :

Steht auf zum Halten eurer Bittgebete

auf die ihr täglich eure Taten sät.

Steht auf, die Erde in dem reifen Beete

wird früh gedeihn, wenn böses Kraut vergeht.

Er ist viel größer als ihr alle dachtet

und bleibt alleine herrschend auf dem Thron"

_____________

So stillten mich die Laute Deiner Namen

und meine Seele schaute auf die Rahmen

Jetzt seh ich Dich und blicke auf : Amen !

 

Naser

24.06.2007

 

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