Heinz Säring

Bin ich Mädchen oder Junge T.6 Wahre Begebenheit aus Kanada

 
 
Paar Tage darauf holt der Vater sie ab.
"Wir essen jetzt erst mal ein Eis" sprach er knapp.
Die Brenda, erschrocken: "Ist was mit euch beiden?
Wie geht es der Mutter? Sag, lasst ihr euch scheiden?"
 
 
Der Vater war sichtlich errregt und hat dann
ihr richtig erzählt, wie das alles begann:
Dass er ist als richtiger Junge geboren,
dass er bei Beschneidung den Penis verloren,
 
 
und was ihm danach alles wichtig erscheint . . .
dann kam er nicht weiter, dann hat er geweint.
Der Brenda vor Staunen die Sinne vergehn -
nie hat sie den Vater mal weinen gesehn.
 
 
Die Brenda war sprachlos, verwirrt eine Zeit,
doch dann kam das Beste: sie fühlt sich befreit!
Was sie hat so lange so furchtbar bedrückt,
jetzt war alles klar, sie war doch nicht verrückt!
 
 
Dem Brian, dem musste die Mutter es sagen,
der hat mit den Fäusten die Scheiben zerschlagen.
 
 
Nun lag eine Frage natürlich sehr nah:
"Als Baby, als Junge, wie hieß ich denn da?"
Der Name von damals gefiel ihm nicht so,
ein anderer Name, der machte ihn froh:
 
 
Er war einer, der viel Courage bewies,
und sich von dem Money nicht einschüchtern ließ.
Er nannte sich David mit jetzt 15 Jahren,
nachdem er nun endlich die Wahrheit erfahren.
 
 
In den nächsten Wochen kriegt Spritzen er schon,
nicht mehr Östrogen, sondern Testosteron.
Die weiblichen Brüste, die man ihm gezüchtet,
die wurden durch Amputationen vernichtet.
 
 
Den David ergreift ein ganz starkes Verlangen,
bald war er nur in dem Gedanken befangen,
und schließlich, als er dann zum Schwarzmarkt gelaufen,
gelingt's ihm 'ne russische Waffe zu kaufen.
 
 
Im Februar war es, nicht lang nach dem Kauf,
da sucht er den Doc Huot im Sprechzimmer auf.
Er stellt mit der Tasche sich dort vor ihn hin.
"Was wünschen Sie?" fragt der. "Weißt du, wer ich bin?"
 
 
Den Arzt hat so sehr die Erschütt'rung gepackt,
saß da und ist weinend zusammengesackt.
Und wahrlich unglaublich, wie uns das erscheint:
der David geht raus an den Fluss . . . und er weint!
 
 
Die Waffe, die hat er mit Steinen zerschlagen -
im Fluss liegt sie heut noch nach Jahren und Tagen.
Nun ward ihm ein künstlicher Penis beschert,
doch der war nun damals noch gar nicht viel wert.
 
 
Im ersten Jahr 18 mal Krankenstation,
und Wasser zu lassen, das war es auch schon.
Er konnt damit nicht mal zum Nacktbadestrand,
da hätt's auch 'ne Jungfrau als "Kunstwerk" erkannt.
 
 
Um nun nicht auf ewig zu Hause zu bleiben,
zog er dann mit Brian durch Cafes und Kneipen,
und das immer öfter im weit'ren Verlauf,
sie merkten, man nahm den Verwandten gut auf.
 
 
Sie hatten da nämlich 'ne Story erfunden,
die Schwester durch Flugzeugabsturz war verschwunden,
der David, ein Neffe, so kann es ja gehn,
sie hätten sich erst lange Zeit nicht gesehn.
 
 
Mit 18 da wurde er reich mit Gewalt,
es ward die Entschädigung an ihn gezahlt.
Es war ein vergleichsweise kleiner Betrag,
der bisher wohl auf einem Sperrkonto lag.
 
 
Denn sieht man den Schaden, dann ist es zum Weinen:
Es warn 66 an Tausenderscheinen.
Der Ron hatte damals die Summe bekommen
(vom Krankenhaus ohne Prozess angenommen).
 
 
Es war schon was, wenn man 6000 verdient,
und 11-faches Jahreseinkommen gewinnt.
Doch gab's in vergleichbaren Fällen auch schon
ein Schmerzensgeld weit über eine Million.
 
 
Ein Fahrzeug zu kaufen, kam ihm in den Sinn:
ein Kleinbuss mit Hausbar und Teppich darin,
er dachte, damit hübsche Mädchen zu locken,
das "Bumsmobil" nannten die Freunde es trocken,
 
 
Er war jetzt mit 18 durchaus attraktiv
da andre nicht wussten, was bei ihm nicht lief.
Ein sehr hübsches Mädchen, erst 16, ein Hit,
die ging schon ein paarmal recht gern mit ihm mit.
 
 
Er fürchtet, was wird, will sie mehr von ihm wissen,
als Händchen zu halten und immer nur küssen.
Er täuscht sie, als wäre er deshalb so brav,
er hätt viel getrunken und fällt schnell in Schlaf.
 
 
Doch ein mal, da hat er zu kräftig getrunken
und ist dann tatsächlich in Tiefschlaf gesunken -
ein Blick ihrer Augen verrieten ihm glatt,
dass sie ihn sich unten rum angesehn hat.
 
 
Was sollte er machen, er sagte ihr bloß
was von einem Unfall, dann war er sie los.
Es kam so wie meistens in solch einem Falle:
Nach wenigen Tagen da wussten es alle.
 
 
Jetzt wurde geflüstert, er war wie entehrt,
und hat eine Schachtel Tabletten geleert.
Die Eltern, sie haben ihn schließlich gefunden,
und zögerten schon in den ersten Sekunden -
 
 
"Das Kind hat sein Leben lang immer gelitten,
er will wirklich sterben, das ist unumstritten."
Dann haben sie ihn aber schnell in der Nacht
zum Magenauspumpen zur Klinik gebracht.
 
 
Doch nach einer Woche, weil wirklich gewollt,
hat er den Versuch noch einmal wiederholt.
Und dieses mal hat sich der Bruder erschreckt,
er hatte ihn grad noch rechtzeitig entdeckt.
 
 
Dann wollte er leben, nahm an sein Geschick,
doch zog er sich jetzt von den Menschen zurück.
Lebt lange alleine in Trauer und Weh
im Wald in der Hütte am Winnipegsee.


Hinweis: Die Verserzählung ist hier nicht zu Ende.
Es gibt seit dem 06.09.07   noch einen 7. Teil, der übrigens
nicht mehr so traurig ist.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.09.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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