Freiheit

Blasse Mondsichel am hellen Spätnachmittagshimmel.

Kaum wahrnehmbar.

Und ich verliere sie immer wieder aus den Augen.

Im Hellblau gegenüber meines Fensters…

Goldenes Licht auf den Bäumen.

Gelb gefärbtes Laub auf den Ästen.

Kaum eine Wolke zu sehen.

Der Wind frisch auf.

Ich schließe das gekippte Fenster.

Zwei einsame Vögel mitten im Blau.

Tauchen in einen Schwarm ein.

Ziehen ihre Bahnen am Himmel.

Frei.

Unglaublich frei…

Träumerisch folge ich ihnen mit den Augen.

Der Horizont färbt sich langsam orange.

Mit einem Mal liegt ein Schatten auf der Wiesenfläche.

Die Vögel sind verschwunden.

Ich kann sie nicht mehr sehen.

Wo sie nun fliegen?



Mein Kopf schmerzt.

Eine Gelse tanzt vor der Fensterscheibe.

Ein Marienkäfer landet am Fensterrahmen.

Er läuft hin und her.

Als suche er etwas.

Da sind wieder die Vögel!

Fliegen scheinbar an der Mondsichel vorbei.

Und drehen wieder eine große Runde.

Frei sein…

Ich muss lächeln.

Ich bin doch frei.

Oder?

Ungebunden wie nie.

Und nur mir verantwortlich.

Nur mir allein.

Tun und lassen können was ich will.

Ja, das kann ich jetzt.

Trotz all der rührigen Geister um mich.

Die mich mit guten Ratschlägen eindecken.

Fast zupflastern.

Immer wieder.

Dann möchte ich davonfliegen.

Wie ein Vogel.

Auf einen Baum.

Oder ein Hausdach.

Einfach ungestört sein…

Mein Leben leben…



Das goldene Licht in den Bäumen hat sich verloren.

Der Himmel strahlt dunkler.

Eine Nuance.

Kondensstreifen eines Flugzeugs.

Vielleicht auf südlicher Route.

Ich lächle in mich hinein.

Wie gerne säße ich im Flieger!

Wie gern stiege ich aus!

Unter exotischer Sonne.

Ungestört…

Energisches Kopfnicken.

Aber ich bin doch frei!

Meine Gedanken hemmt niemand.

Sie sind ungebunden.

Tauchen in wunderbare Welten ein.

Selbst geschaffen.

Versuchen Rätsel zu entwirren.

Probleme zu lösen.

Hinter Fassaden zu blicken.

Abstrakte Fragen zu klären.

Den Dingen des Lebens auf den Grund zu gehen.

Und zu lernen.

Ich bin so frei…

Frei wie nie…



Vivienne