Armella Bumann

Oh Tannenbaum - oh Tannenbaum

 
Armella Bumann
 
Seit vielen Jahren steh’ ich hier
in meinem vertrauten Forstrevier.
Auch meine Nachbarn sind sehr unterschiedlich,
doch der grösste Teil ist nett und friedlich.
 
Sogar Menschen sehe ich von Zeit zu Zeit,
sie bewundern mein grünes Nadelkleid,
doch jedes Jahr zur Weihnachtszeit
machen sich Angst und Schrecken breit.
 
Denn viele Freunde sind schon verschwunden,
abgeholzt – verschleppt – geschunden.
Niemand hat seither von ihnen gehört,
ihr noch junges Leben einfach zerstört.
 
Ein Vöglein hat mir heut’ erzählt,
dass wir Tannen dazu auserwählt,
alljährlich zum Weihnachtssymbol zu werden,
um Jesus zu empfangen, hier auf Erden.
 
Entzückt beginne ich zu träumen,
gerne wär’ ich unter jenen Bäumen,
die dem Kinde leuchten auf dem Weg
durch meinen Wald, über Stein und Steg.
 
Wo bin ich nur, was tu ich hier ?
Wo ist mein geliebtes Forstrevier ?
Mitten in der Nacht sind sie gekommen
und haben mich einfach mitgenommen.
 
Nun stehe ich in einem geheizten Haus
und bald fallen mir sämtliche Nadeln aus.
Von meinen Wurzeln hat man mich getrennt,
meinen Stamm in ein enges Gefäss geklemmt.
 
Mein Schicksal ist nicht mehr abzuwenden,
glitzernd werde ich die Menschen blenden.
Bis zur Unkenntlichkeit wird man mich schmücken,
wie kann ich hier die Welt entzücken ?
 
Ich kann nicht leben in diesem Raum,
und vorbei ist auch mein schöner Traum.
Hier vermag ich nicht viel auszurichten,
heim möchte’ ich, zu den Tannen und Fichten.
 
Verletzt ist mein Körper aus edlem Holz,
gebrochen auch mein ganzer Stolz.
Womit habe ich das nur verdient,
dass man sich meiner so schändlich bedient ?
 
Meine Arme sind müde und schwer wie Blei,
zahlreiche Nadeln brach man mir entzwei.
Mit Kugeln und Kerzen schwer beladen,
hängt mein Leben am seidenen Faden.
 
Zu einem Festbaum gestutzt und aufgebaut,
schwerer Duft von Zimt mir den Atem raubt.
Viele bunte Päckchen liegen um mich herum,
vorbei ist die Ruhe vor dem grossen Sturm.
 
Kreischende Kinder mit leuchtenden Augen,
Kerzentropfen sich in meine Arme saugen.
Lieder erklingen zur Weihnachtszeit
und preisen irrtümlich mein Blätterkleid.
 
Ganz verloren steh’ ich nun da
zwischen Spielzeug, Socken und Wonderbra.
Enthüllte Päckchen türmen sich vor mir,
und ich versinke in Geschenkpapier.
 
Die heilige Nacht ist fast vorbei,
das Krippenkind war einerlei.
Einsam leuchte ich vor mich hin,
ist dies wirklich weihnachtlicher Sinn ?
 
Endlich befreit von meiner glitzernden Last
lieg’ ich nun hier zwischen Müll und Ballast.
Mit dürren Nadeln und gebrochenen Armen,
weggeworfen – vergessen – ohne Erbarmen.
 
Meine leeren Augen durch die Gassen schauen,
und es packen mich Entsetzen und Grauen.
Zu vielen Freunden erging es leider wie mir,
und ich sehne mich nach meinem Forstrevier.
 
Zu Weihnachten sind die Menschen besessen,
und viele haben das Wesentlichste vergessen.
Das Christkind hätte bestimmt nicht gewollt,
dass man uns aus unseren Wäldern holt.
 
Ich habe gewartet gar viele Stunden,
doch das Christkind hat mich nicht gefunden.
Um dir zu leuchten hat man mich verwendet,
aber ich weiss, ich hab dich nur geblendet.

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