Beim Frühstückstreff löscht
eine Frau das Licht,
von draußen sickert
Tagesgrau in den Raum,
während romantischer Kerzenschein
helle Kringel auf den Tisch malt,
unsere Gesichter jedoch mehr
in den Schatten taucht.
Dein Profil ist halb abgewandt,
du blickst mich nicht an.
Entweder drehst du
ruhig deine Zigaretten
oder unterhältst dich lächelnd
mit meiner Nachbarin.
Nach einer Stunde gehst du,
ohne Kuss, ohne Ade,
wie ich es schon
heute Morgen ahnte.
Gefühlsmäßig hast du dich
von mir abgeschottet.
Gleichgültig bin ich dir geworden.
Meine Unterlagen über Cassis
und mein Gedicht über Winterlinge
waren meine letzten
Geschenke an dich,
die ich dir überreichen durfte.
Nun weiß ich auch,
warum du vor vierzehn Tagen
bei unserer Schmuserunde
„Vergißmeinicht“ sagtest.
Du hast schon damals
von mir innerlich
Abschied genommen.
Mit Trauer und innerer Leere
bleibe ich zurück,
aber einen Hauch
deines Lebensgefühls
bewahre ich mir.
Niemals werde ich dir
den botanischen Garten
mit den ersten Alpenveilchen,
niemals den Schlosspark
mit den frühen Blausternen
oder die Grotte bei der
Winterlingwiese zeigen,
wo ich dich umarmen wollte.
Du wirst niemals diese
idyllischen Plätze mit mir aufsuchen.
Dennoch fühle ich mich
nicht völlig einsam.
Bis heute Abend hältst du dich
in meiner Stadt auf.
Ich denke an dein Gesicht
im goldenen Kerzenlicht.
Heute Abend steige ich
in Gedanken mit dir
in deinen Zug.
Falls du meine Unterlagen
auspackst, lese ich im Geiste
mein Gedicht mit dir.
Ich schaue mit dir
durch die verregneten Scheiben,
an denen lichtglänzende Tropfen
herabrinnen, in die Dunkelheit.
Mein wehmütiges Lächeln
spiegelt sich in jedem Tropfen,
die Natur weint heute mit mir,
während ich im Regen
Abschied von dir nehme.
© Inge Hornisch