Elke Anita Dewitt

Die Rettung des Eismannes Teil 1

Weiter zu Teil 2

Aus der Reihe der Blauen Märchen:
Die Rettung des Eismannes


Copyright Elke Anita Dewitt

Es war einmal ein Mann, der war fast zweimal so groß wie normale Menschen. Weil er so groß und sehr hässlich war, fürchteten ihn alle und gingen ihm aus dem Weg. Darunter litt er sehr. Er sehnte sich danach, Freunde zu haben und versuchte den Menschen zu zeigen, dass er es gut mit ihnen meinte. Er bot sich an, den Männern beim Häuserbau zu helfen, doch sie warfen nach ihm mit Steinen. Den Frauen auf dem Feld wollte er ihre schweren Körbe tragen, aber sie rannten schreiend in alle Richtungen davon und schickten ihre Männer, die ihn mit ihren Werkzeugen bedrohten. Wenn er den Kindern die Kirschen und Äpfel von den Bäumen pflückte, fingen sie zu weinen an und einige konnten vor lauter Angst nicht mal mehr weglaufen. Wie gebannt starrten sie ihn an, mit offenen Mündern und weit aufgerissenen Augen. Er verspürte den Wunsch, sie in die Arme zu nehmen und zu trösten, ihre kleinen Hände zu streicheln und ihnen zu zeigen, wie lieb er sie hatte. Aber sobald er auch nur einen Schritt auf sie zuging, schrien sie so erbärmlich, dass er schnell wieder kehrt machte und sich zurückzog. Er wusste sich keinen Rat mehr, wie er die Herzen der Menschen für sich gewinnen konnte. Als er eines Tages ein Kind aus den reißenden Fluten eines Wildbaches vor dem Ertrinken rettete und man ihn auch noch beschuldigte, er habe die Kleine hineingestoßen, wurde er sehr traurig und begann zu weinen. Er weinte bitterlich und konnte nicht mehr damit aufhören. Die Wiesen und Felder um ihn herum versanken in seinen Tränen und es bildete sich ein großer See um ihn herum.
"Versteht mich denn niemand? Ist denn keiner da, der mich lieb haben kann?", rief er verzweifelt und so laut, dass er den Wettergeist aus seinem Schlaf weckte, der vor Zorn über die Störung seinen kältesten Wind auf den Mann hetzte. Innerhalb kurzer Zeit erstarrte er vor Kälte, ohne sich dagegen zu wehren und das Wasser um ihn herum gefror. An dem Eissee herrschten fortan eisige Temparaturen. Die Menschen mieden diesen Ort. Der Geist des Hässlichen ginge um, behaupteten sie. Manchmal wagten sich Kinder zum Schlittschuhlaufen an den Rand des Sees, jedoch wurde ihnen binnen weniger Minuten trotz ihrer Bewegungen eiskalt. Der Eisklotz in der Mitte jagte ihnen so große Furcht ein, dass sie den unheimlichen Ort schnell wieder verließen. Viele Jahre vergingen. Nach wie vor erzählte man sich schaurige Geschichten über den Eissee, seine Entstehung und den Geist des Hässlichen.
In dem Dorf, das in der Nähe lag, wohnte ein Mädchen, das ein gütiges Herz hatte. Ihre Großmutter erzählte ihr, der Geist des Hässlichen sei kein böser Geist, sondern vielmehr ein unglücklicher. Er wäre einmal ein Mensch gewesen, der wegen seines Aussehens verstoßen worden war und trotz seiner Hilfsbereitschaft keine Freunde fand.
Von tiefem Mitleid erfüllt, machte sich das Mädchen eines Tages auf den Weg zu dem berüchtigten Ort. In ihrem dünnen Sommerkleid fror sie erbärmlich, doch entschlossen betrat sie das Eis des Sees und ging mutig auf das riesige Eisgebilde in der Mitte zu. Zitternd vor Kälte blieb sie davor stehen. "Armer Mann! Du tust mir leid. Wenn ich dir doch nur helfen könnte!", sagte sie und berührte sanft das Eisgebilde. In diesem Moment krachte es und das Eis begann zu schmelzen. Zum Vorschein trat der hässliche Mann von einst. Über sein Gesicht rannen Tränen. "Bitte, lauf nicht vor mir weg! Ich tue dir nichts," sagte er.
"Ich habe keine Angst vor dir," erwiderte die Kleine, reckte sich, so hoch sie konnte auf die Zehenspitzen und versuchte ihm die Tränen vom Kinn zu wischen. Aber sie war zu klein dazu. Da hob er sie hoch und sowie sie sein Gesicht mit ihrem Tüchlein berührte, versiegten seine Tränen. Er verwandelte sich vor ihren Augen in einen weißen Adler, der seine Schwingen ausbreitete und davonflog. Dem Mädchen wurden Glück und Wohlstand Zeit seines Lebens zuteil.

Die Blauen Märchen für kleine und große Kinder. Die Bilder dazu hat meine damals zwölfjährige Tochter gemalt und "die Fee der Lüfte" mein Sohn. Das Buch ist unser "Gemeinschaftswerk".

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.04.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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