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„Frag mich im August“ von Manfred H. Freude


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Verena

29.08.2004
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Hallo Manfred, kannst du mir mal den Begriff -Escapistenlyrik- erklären? Ich befasse mich erst seit kurzer Zeit mit Lyrik überhaupt: warum kann ich diese Texte fast nie deuten? Ich wäre dir wirklich dankbar für eine Antwort. Vielleicht am Beispiel dieses Gedichtes. Freundliche Grüße- Verena

Manfred H. Freude (30.08.2004):
Kommentare zu Frag mich im August von Manfred H. Freude
Kommentare der Leserinnen und Leser:
Verena (sthasmer web.de) am 29.08.2004:

Hallo Manfred, kannst du mir mal den Begriff -Escapistenlyrik- erklären? Ich befasse mich erst seit kurzer Zeit mit Lyrik überhaupt: warum kann ich diese Texte fast nie deuten? Ich wäre dir wirklich dankbar für eine Antwort. Vielleicht am Beispiel dieses Gedichtes. Freundliche Grüße- Verena
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Ich werde es einmal versuchen, ich versuche allerdings mit dem Begriff Escapistenlyrik das hermetische Gedicht zu durchdringen.
Ich hoffe das es dir ein bisschen weiterhilft.
Versuche einmal in der Bücherei oder im Internet Gedichte von Celan oder Benn zu lesen.

Das hermetische Gedicht: Die Lyrik der Nachkriegszeit ist schwer verständlich, verschlossen (\"hermetisch\"),
wie ein Rätsel, \"chiffriert\".
Die Dichter dieser Lyrik misstrauen der vom Nationalsozialismus missbrauchten Sprache, sie versuchen mit Hilfe der \"schönen poetischen Sprache\"
aus der Realität zu flüchten.
Hermetismus; hermetisches Gedicht
(das vollbringt die Dichtung mit ihrer rhetorischen Verdichtung und ihrem Streben nach Hermetik) ;
Hermetismus, okkulte Formen des Mittelalters;
Corpus Hermeticum = Hermes Trismedismus – Astrologie-Heilkunde; Geheimwissenschaften Glasröhre luftdicht verschließen
Hermetisch gegen die Umwelt abgeschlossen Geheimsprache für eingeweihte Kabbala, Gnosis, Freimaurerei;
Italien – Ermetik; Eugenio Montale , Ungaretti und Salvatore Quasimodo
schwer verständlich,
A-logisch, Dunkelheits-Dissonante,
absolute diktatorische Metaphern,

Hermetische Gedichte verweigern rezipiert zu werden ohne Phänomen; Hermetische Gedicht trägt nicht, durch dialogizität ausgezeichnet, oft in Bezugnahme auf andere Texte Chiffrierte Erfahrung geschichtlicher
Die Mehrdeutigkeit eines Textes ist ein hermetisches Problem der Geisteswissenschaften.

Escapistenlyrik (Escapisten)

Manfred H. Freude


Escape (englisch)- entfliehen

Folgen wir der Verlockung, dem Anreiz einer Fährte, einer Piste, einer Spur.
Geben wir uns der Verlockung einer Spur zu folgen.
Brechen wir aus, entfliehen wir der Realität.
Machen wir uns heimlich davon (durchbrennen).
Entkommen, entrinnen wir mit einem Geistesblitz,
dem Köder der uns in die Realität locken will, mittels eines Seitensprungs.

Die Escapistenlyrik entflieht dem hermetischen Gedicht. (das vollbringt die Dichtung mit ihrer rhetorischen Verdichtung, ihrem Streben nach Hermetik und der Deviation vom Realen dem Ausstieg aus dem abgeschlossenen dem Unwirklichen; das Reale aus einem sicheren Ort zu betrachten.

Das hermetische ist nämlich nicht der sichere Ort für das Gedicht.

Ergeben wir uns dem Folgenden.

Wir entfliehen um zu bleiben. Wir entfliehen. Weg von der Lichtung
ins Dickicht, um praktisch unsichtbar die Lichtung zu betrachten.
Die Dichtung entflieht aus der Realität ( dem Glaskasten), entrinnt um
aus dem Unwirklichen (der Welt) die Realität (die Spießer) zu betrachten.
Der Ausstieg aus dem hermetischen, dem unverständlichen,
dem Verschwiegenen.

Escape ist Deviation ( Abweichung vom Realen).
Escape ist nicht geboren zu werden.
Escape ist Sein und Nicht Sein
Schrei ( Sein = Schmerz, Widerspruch)
ist Öffnung (Vertiefung)
ist Geburt
ist Abgrund (des Denkens)
ist Ekel (nicht Sein = nicht geboren sein = außer sich sein = nichts sein)

Das Wort fing ich mit meinen Händen
umschloss es, wie konnte es mir glücken?
Als ich nachsah, flog ein Schmetterling,
setzte sich meiner Hand auf ihren Rücken.
Aachen 30.07.2004

Escapistenlyrik, Fluchtlyrik, Fliehendengedichte
Escapisten, Fliehende
Escape, Fliehen

Wir müssen den Leib, dem Körper entfliehen, unserem Leib wie dem Mutterleib, der hermetischen Fluchtblase.

Der Leib ist die Bleibe in der sich der Leib befindet.

Das Haus ist mit dem Leib verbunden. Im Haus gewöhnt sich der Leib im Raum. Niedrige und Hohe Decken sind sinnliche Leiblichkeiten für Verletzbarkeiten. Alles Metaphern, alles Metaphern wie Schäume und Sphären.
Um dem Körper nicht zu entfliehen brauchen wir keinen Verstand, wir brauchen eine zweite Haut.
Körper – Sprache (Körpersprache) Zeichen für Körper, Textere , kein monolateraler Vorgang. Wir befreien uns mit dem Schrei vom Körper und antworten in der Ausgesetztheit der Haut und des Leibes mit Gewalt.

Das Gedicht ist eine leere Festung
aber nicht alle Gedichte sind hohl
in vielen steckt der Gestank der Hermetik
Doch wenn sie entfleuchen, ja
wenn der Hermetik ein Gedicht entfleucht,
dann aber die Nasen zu und Augen und Ohren weit auf.
Manfred H. Freude Aachen, 2004-08

Das Wort Escapade kennen wir in Verbindung mit Pferden: Das Pferd machte eine Escapade. Diese hat aber nichts damit zu tun das Pferde Fluchttiere sind. Das Pferd das Fluchttier.
Die Dressurreitung verwendet das Wort zum Beispiel, wenn ein Pferd in der Dressur das Angelernte, Dressierte plötzlich vergisst. Durch eine Unaufmerksamkeit, ein Geräusch, eine Bewegung wird das Pferd irritiert und seine Gedanken sind entflohen. Es ist im Geist wieder in einem anderen Reich.
Es zeigte eine Escapade.
Es hat also nichts mit Flucht im eigentlichen Sinne zu tun. Kein Ausbruch aus einem Gefängnis. Man braucht für eine Escapade seinen Standpunkt nichteinmal zu verlassen. Aus einer geschlossenen Flasche zu entkommen oder noch besser in eine geschlossene Flasche sich hineinzuversetzen ist nur eine Escapade.

Lesen wir ein gutes Buch und irgendwann geschieht es, das wir uns nicht mehr im Raum befinden in dem wir uns befinden. Wir sind entflohen. Wir haben uns von einer Stelle des Textes vom lesen in den Text begeben. Eine Escapade.

Wir beschreiben ein Dichter-Ritual, eine Fluchtdichtung
in das Innere der Seele.
Wir rufen die Totengeister, die Dichtergeister.
Die Dichter als Schamanen und wir vollziehen eine Guffa,
eine Guffa ist eine Reise ins Innere der Seele.

Vielleicht beziehen wir uns auch als Dichter auf etwas was Helmut Lamprecht der Dichter in der Deutschstunde fragt: „Was will der Dichter damit sagen .........warum denn die Dichter nicht gleich das sagten, was sie gar nicht sagen wollten.“ Genau das ist der Punkt.
Wenn der Dichter nur das Leben beschreibt, können wir es ja selber leben.

Der Dichter beschreibt das Leben und wir merken nicht die Escapade.

Wir sind in einem anderen Leben in Vergangenheit oder Zukunft und merken es nicht. Wir merken es erst wenn das Gedicht zu Ende oder irgendein Wecker klingelt. Wir hatten eine Escapade. Und diese Escapade kann wie bei dem Dressurpferd bei der Dressur in die Unachtsamkeit geschehen, sie kann aber auch von der Unachtsamkeit des Alltags in die Dressur, die Achtsamkeit der Konzentration in dem Entfliehen in die erwünschte Realität erfolgen.
Die Flucht in der Escapistenlyrik kann also in die verschiedensten Richtungen in die verschiedensten Welten erfolgen, ohne das wir uns gleichzeitig von unserem Platz bewegen.

Für diejenigen die vom Baum der Erkenntnis gekostet haben ist das Paradies verloren. Es gibt keine Rückkehr in einen harmonischen Naturzustand. Wenn wir uns zurückwenden, dann müssen wir den ganzen Weg gehen – wir müssen zu Bestien werden (Hintergrund von Platons Angriff, Karl Popper)
Das bedeutet:
Das Gedicht flieht, indem es gelesen wird, indem wir Erkenntnis gekostet haben ist das Paradies verloren.
Laut Conrad Lorenz ist der Mensch ein Nestflüchter nicht ein Nesthocker. Das Fliehen ( Interuterares Frühjahr) liegt uns also schon im Blut, nicht das hermetische Eingeschlossensein. Der Japaner Kuho beschreibt bereits den Kontakt des Küken durch die Eischale mit der Mutter. Wir wollen also aus dem Ei und suchen den Kontakt.


Nehmen wir das Gedicht In der Nacht. Hierbei handelt es sich um einen Aufstand, um eine Revolution, es kann sich aber auch darum handeln, das jemand um Mitternacht zum Pinkeln muss. Escapistenlyrik?
Wir sehen, die Escapade liegt nicht nur im Dichter,
sondern im Kopf des Lesers.
Keine Schädelhermetik, eher Gehirnescapistik

Und das Wichtigste: die Worte bedeuten nicht immer was sie aussagen.
Beispiel: Todesfuge Paul Celan beschreibt Schlangen: die Schlangen bedeuten die Zöpfe seiner jungen Schwester. In frag mich im August kommen auch Schlangen vor, Haut die größte Fläche sie behält!! alles, frag mich im August..dannn ist der Sommer vorbei, er Spurte! legte die Spur , Erinnern, wie in der Haut, war nie fort wie Eis und Schnee..
und das musst du vielmals leesen und immer wieder neue Dinge im Gedicht erkennen und lesen: und wenn du die Aha Effecte hast, dann war es gut..
und wenn due dann noch selber alles um dich vergisst, entfliehst, escape,
dann ist es für mich Escapistenlyrik....
Ich hoffe das ich dir ein Stück weitergeholfen habe liebe Grüße Manfred

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