Kommentare unserer Leserinnen und Leser zur Kurzgeschichte
„Der Lorbass“ von Jürgen Stubbe


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kleine_fluchten

28.05.2009
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Sehr geehrter Herr Stubbe,

mit Interesse habe ich das Expose und die Textprobe zu Ihrem Romanprojekt gelesen. Ich gehe auf Grund der Begriffe Textprobe und Expose davon aus, dass es ein Romanprojekt ist, denn eine Kurzgeschichte ist es nicht. Es war der ungewöhnliche Titel, der mich neugierig macht und mich veranlasste, hier meinen Einstandskommentar zu geben. Vielleicht hat es auch eine Rolle gespielt, dass ich ursprünglich aus einer Gegend stamme, die nicht weit vom schönen Harz entfernt liegt.

Sie haben sich ein Interessantes Thema gewählt. Nachkriegszeit in der sowjetischen Besatzungszone. Darüber wird es nicht allzu viel Kritisches geben, denn die DDR hätte solche Veröffentlichungen nicht zugelassen.

Leider kann ich aufgrund Ihrer Textprobe und des Exposes nicht erkennen, welchen Spannungsbogen der Roman haben soll. Das Expose behandelt ja nur den Inhalt des Kapitels, das Sie uns als Leseprobe vorstellen und sagt nichts über den weiteren Handlungsverlauf aus.

Das Kapitel selbst, stellt dem Leser eine Familie in der Nachkriegszeit vor, in der es streng zugeht und in der die ungeliebte Oma stirbt. Wir lernen die Figuren kennen, die wohl die Hauptfiguren des Romanes sein werden. Leider bleiben sie blass und scheinen keine Gefühle zu haben. Das Kapitel selbst hat keinen Spannungsbogen. Es beginnt in der Beliebigkeit des Alltags und endet überraschenderweise mit dem Tod der Oma, über die wir nicht allzu viel erfahren. Niemand wirkt sonderlich bedrückt oder gar entsetzt über den Tod. Ich frage mich, wozu dieses Kapitel im Roman dienen soll? Der Vorstellung der Charaktere? Das schafft es nicht. Einer Einführung in die Problematik des Romanthemas? Diese ist nicht zu erkennen, wenn man vom Leitmotiv „schwere Kindheit“ absieht. Dieses Motiv reicht nicht aus für einen Roman. Leider. Egal, wie schwer eine Kindheit war, ein Roman braucht eine Problemstellung, eine Entwicklung und am Ende eine Lösung des Problemes. Sicher haben Sie das alles geplant, aber es ist nicht erkennbar.

Die Wahl des Präsens und der Perspektive des kleinen Jungen als Stilmittel halte ich für schwierig. Es gaukelt zwar Authentizität vor, wird Ihnen aber Probleme bereiten. Zumal Sie fehlerhaft vorgehen. Die Rückblende mit dem Sani-Onkel hätte zum Beispiel in der Vergangenheit geschrieben werden müssen. Die erzählenden Passagen müssen sie bei Ihrer Wahl auch aus Kindersicht schreiben. Das macht das Lesen aber schwierig. Wenn der Erzähler dann in Kindersprache sagt: „Und verirren tue ich mich auch. Dann geht’s vor und zurück„ (verirren TUE ! und geht’s statt geht es) ist das kein guter Stil. Ich denke, es wäre besser, einen neutralen Erzähler zu wählen und auf die Ich-Persepektive zu verzichten. Oder einen Ich-Erzähler zu wählen, der auf seine Kindheit zurückblickt aber aus Erwachsenensicht schreibt.

Der Stil Ihres Textes wirkt stakkatohaft. Sie neigen zu kurzen Sätzen. Ein wenig mehr Variabilität wäre wünschenswert. Die Sätze kommen wir kurze harte Schläge. Die Emotionen der Darsteller sind in einzelnen Worten beschrieben. Man kann sie so nicht erleben, erfühlen. Wenn ein Kind schmerzen hat und sagt, „Das tut so weh, dass ich brülle“ beschreibt das zwar den Schmerz, aber der Leser geht darüber hinweg, ohne eine Emotion zu spüren. Dann die Übergänge: plötzlich ruft die Mutter zum Essen. Ich würde erwarten, dass der Junge nun erlöst wäre von seiner Pein, erleichtert, dass er die Mutter als Rettung erlebt, ihr dankbar ist. Doch davon erfährt der Leser nichts. Auch die Zurechtweisung am Essenstisch scheint den Jungen nicht weiter zu belasten. Keine Gefühle, keine Regung. Dann wieder übergangslos ein neues Thema. Alles in allem zeigen die nicht vorhandenen Reaktionen des Jungen eben nicht die Gefühlswelt eines Kindes, sondern die aus heutiger Perspektive sehr distanzierte Sicht des Erwachsenen Autors, der seinen Vater nicht liebte und in der Erinnerung nur die kühle Szenen und Sätze wiedergibt, an die er sich erinnert.

Entschuldigen Sie bitte mein hartes Urteil. Aber ich möchte momentan nicht mehr davon lesen. Und drucken wird das auch nur ein BoD-Verlag.


Jürgen Stubbe (28.05.2009):
Vielen Dank für Ihre Kritik! Zur Geschichte dieses Beitrages: Ich schreibe an einem historischen Familienroman. Der erste Teil beschreibt das Leben meines Urgroßvaters von 1852 – 1935. Hinter seinem Leben verbirgt sich ein Geheimnis. Dieser Teil ist im Präteritum geschrieben. Der zweite Teil bis zu der Szene „Der Lorbass“ ebenso. Dann geht es weiter in der ersten Person Präsens. Diesen Stil halte ich konsequent durch. Ein Stilwechsel zur Vergangenheit ist ein Stilbruch. Dieser „Ich-Stil“ ist eine Herausforderung an einen Schriftsteller. Im zweiten Teil des Romans decke ich abenteuerhaft das Geheimnis auf. Spannung? Zum Thema „stakkatohaft und Emotionalität“ Haben Sie einen fünfjährigen Knaben lange Sätze sprechen hören oder besondere emotionale Regungen verspürt? Eine Verlags-Lektorin hat den „Lorbass“-Text positiv bewertet. Übrigens habe ich einen Verlag. Keinen BoD-Verlag. Mit freundlichem Gruß Stubbe

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Hallo, liebe Leser dieses Beitrages.
Ich habe vergessen nachzufragen, ob ihr Interesse an einer Fortsetzung dieser Geschichte habt.
Vielen Dank für eure Antwort!
Jürgen Stubbe

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