Kommentare unserer Leserinnen und Leser zur Kurzgeschichte
„2150“ von Steffen Herrmann


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Lieber Steffen,
die Genetische Manipulation von Erbgut ist ein sehr weites Feld. Allerdings fällt mir zu diesem Thema immer der Film Gataga ein. In seinem Abspann sind berümte Wissenschaftler von Newton, der im Hohen Alter an einer Psychose litt (ich weiss das ist umstritten), über Nietzsche, van Goch, usw. bis hin zum Amtsnachfolger von erstgenanntem, Steaven Hawking, dargestellt. Kann es nicht so sein, dass ein Mensch an seinen genetischen Fehlern wächst? Dass er oder sie erst durch einen Mangel oder einen Fehler einen Wirklichen Ansporn hat Grosses zu vollbringen? Das alles kulminiert dann irgendwann in der Kapitalistischen These: "Die Unzufriedenheit ist unser Motor." Dieser stimme ich, so wie sie da steht nicht zu, aber ich glaube nicht dass Optimierung auch zwangsläufig Verbessereug ist. Ich will aber doch noch etwas konkreter werden. Ob ich Mathematikproffesor werde, oder nicht, hängt nicht in erster Linie davon ab, welche Gene ich habe. Es hängt davon ab in welchem Millieu ich aufwachse, in welcher Wohnsituation ich bin, wie gross der Geldbeutel meiner Eltern ist und ob ich gleichgesinnte Freunde auf meinem Weg finde. Die Gene determinieren einen Menschen lediglich zu 3% die übrigen 97% sind Erziehung und Soziale Kontakte usw. Das haben mir Fachärtzte gesagt.

Steffen Herrmann (22.04.2017):
Lieber Miko, Du bringst hier einen interessanten Einwand, weshalb ich etwas ausführlicher antworten möchte. Du führst zwei Argumente an. Das erste ist, grob gesagt, die Genie/Wahnsinn-These, die nahelegt, dass oft ein eklatantes Defizit in gewöhnlichen Lebensbereichen oder ein tiefes Unglück im Leben das Genie erzeugt. Das zweite Argument, mit dem ich - weil es grundsätzlicher und wichtiger ist - beginnen werde, zieht die Bedeutung der Gene für die Entwicklung der intellektuellen Fähigkeiten in Zweifel. Ich weiß nicht, was die Fachärzte genau gesagt haben, aber wenn sie gemeint haben sollten, dass die Fähigkeit, im Erwachsenenalter bestimmte intellektuelle Leistungen zu erbringen, zu (nur) 3% genetisch determiniert sein soll, so halte sich diese Aussage eher für pädagogisch motiviert: Es ist immer motivierender, dasjenige höher zu bewerten, was man beeinflussen kann. Ich meine jetzt einmal ganz intuitiv: Wenn man erlebt, wie unterschiedlich schon kleine Kinder in ihrer Auffassungsgabe sind, wie verschieden leicht sie etwas lernen (etwa Schach spielen), dann wird man den erheblichen Einfluss der Gene wahrscheinlich anerkennen. Etwas pointiert formuliert: Eltern glauben bei ihrem ersten Kind an die Erziehung, beim zweiten dann an die Gene. Was die Erziehung aber nicht entwertet: Diese hat einen starken Einfluss auf den späteren Charakter, darauf ob das Kind seinen Platz im Leben findet, ob es glücklich wird. Aber eben nicht so sehr darauf, ob es ein Mathematikprofessor wird. Ich glaube, dass man auch bei optimaler Erziehung nur einen sehr geringen Anteil der Kinder dazu machen könnte. Ich würde (obwohl mathematisch begabt) nicht einmal dieses Studium durchstehen, geschweige denn eine Dissertation – und das hat nichts mit meiner Erziehung zu tun. Wenn ich eine prozentuelle Wertung abgeben müsste, würde ich auf 50/50 statt 97/3 tippen, wobei eine solche Quantifizierung nicht viel bringt und auch nicht beweisbar ist. Es kommt auch gar nicht so sehr darauf an. Versuch mal, etwas vom Menschen abzusehen und die Gene als Replikatoren zu betrachten, als ein Konstruktionsprinzip, das eine bestimmte Art von Systemen ermöglicht und dabei ein Möglichkeitsfeld definiert (Der zugrunde liegende Code ist schnell beschrieben und innerhalb dieses Systems universal: 4 Basen für 20 Aminosäuren). Alle Menschen sind genetisch zu 99.9% identisch, all die erheblichen Unterschiede zwischen uns beruhen auf gerade einem zehntel Prozent Differenz. Insgesamt hat das genetische System Strukturen von sehr verschiedener Intelligenz realisiert (Man vergleiche zum Beispiel Bakterien und Schimpansen) und es spricht nichts dafür, dass diese Möglichkeiten mit uns ausgereizt sind. Genetische Optimierung ist immer Optimierung in gegebenen Hinsichten. Meine These ist dabei, dass auf lange Sicht vorrangig in die Richtung abstrakten Denkens optimiert wird. Und die innere Logik dieses Konstruktivismus läuft darauf hinaus, dass die willkürliche (menschliche) Artgrenze dabei transzendiert wird. Irgendwann werden aus Menschen so andere Arten hervorgehen, die zunächst (aber nur zunächst) der menschlichen noch sehr ähnlich sein werden. Leider kann ich auf das andere (auch sehr interessante) Argument nun kaum noch eingehen. Ich denke, dass diese ehere psychologische These zumindest historisch sehr überzeugt. Sie fokussiert auf den Genie-Begriff, der allerdings immer weiter an Bedeutung verliert. Ich vermute, dass in der Zukunft, die ich beschreibe, Genies weder nötig noch möglich sind: dazu sind die künstlerischen und wissenschaftlichen Systeme zu weit ausdifferenziert. Viele Grüße Steffen

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Lieber Steffen,
das ist eine hervorragende,
wissenschaftlich fundierte Betrachtung
zur Manipulation des ungeborenen
Lebens. Auch die gesellschaftlichen
Risiken werden deutlich aufgezeigt.
Nur ein Aspekt bleibt unbeachtet, weil
sein Ursprung wohl noch nicht in den
Genen festgestellt werden konnte. Wird
der manipulierte Mensch seine Gaben
zum Vorteil oder zum Nachteil der
anderen einsetzen? Wird daraus ein
Mörder oder Verbrecher oder ein Genie
oder Heiliger? Und was geschieht wenn
ein Hacker die auf einem Computer
gespeicherten Dateien manipuliert?
Für mich ist das ganze ein gruselige
Vorstellung, aber Du hast vermutlich
Recht damit, dass die genetische
Manipulation nicht mehr aufzuhalten
ist.
Ich bin von deinem Text sehr
beeindruckt und sende herzliche Grüße
Christiane

Steffen Herrmann (04.11.2014):
Liebe Christiana, über Deine Nachricht habe ich mich sehr gefreut. Es kommt ja nicht sehr häufig vor, dass ich eine Bestätigung erhalte. Es geht mir tatsächlich darum, die Unvermeidbarkeit bestimmter Entwicklungen zu dokumentieren. Hinsichtlich der Genetik betrifft es das instrumentelle Verhältnis des Menschen zu sich selbst, das sich hier mit den Konsequenzen seiner eigenen Logik konfrontiert. Tatsächlich geht es in dem ganzen Komplex der Erziehung, der "Arbeit an sich selbst" oft darum, "besser" zu werden, Probleme und Situationen souveräner zu meistern. Innerhalb der Gesellschaft werden Positionen verteilt und je weiter sich dieses System ausdifferenziert, desto effektiver werden die Menschen dazu verführt, sich selbst als Instrumente zu begreifen, die sich zur Erfüllung von Aufgaben eignen. Ich erwähne das, um deutlicher zu machen, in welchem Kontext sich die genetische Auto-Evolution vollzieht: Die Menschen werden aus immer mehr Arbeitsfeldern verdrängt; wer weiter mitmischen will, muss ein gut gelungenes Expemplar der Gattung Mensch sein. Du erwähnst die ethische Dimension. Ich hatte erst vorgehabt, darauf einzugehen, es dann aber fallengelassen. Es ist schon wahr, dass man sich seine ethischen Qualitäten im Leben gewissermassen erarbeitet, zum Beispiel durch Leiden. Aber es gibt auch hier eine genetische Komponente. Das ethische Vermögen beruht in wesentlicher Hinsicht auf Mitfühlen, und diese Fähigkeit zur Empathie auf Gehirnaktivitäten, die lokalisierbar sind und deren Entwicklung eine genetische Disposition haben. Es ist auch bekannt, dass bei Psychoathen diese Empathiefähigkeit gestört ist. Auch Spitzenpolitiker, insbesondere Diktatoren und Massenmörder, Topmanager und Genies fehlt es überdurchschnittlich oft an diesem Vermögen (oder der Verurteilung) zum Mitgefühl. Die Frage ist nun, was das für die Genommanipulationen bedeutet. Die meisten Eltern wollen mitfühlende Kinder, schon weil es dann auch dankbare Kinder werden und nur so die Familie ein heimeliger Ort wird. Aber was, wenn das zu den anderen Zielvorstellungen in einen Konflikt tritt? Wenn der ganze Gefühlskrimskrams die Fokussierung auf die Aufgabenlösungsmechanismen stört und damit den langfristigen Erfolg im Leben zu torpedieren droht?

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