... hallo Ingrid,
DER SATZ schlechthin:
Lehrer sind angesichts der Frustrationen und des Elends
ganzer Schülergenerationen wie mit Blindheit geschlagen.
Das rührt daher, dass sie selber keinen Blick haben für das,
was der Schüler kann, sondern meist nur in Augenschein nehmen,
was er nicht kann.
Da WIRselbst drei Kinder (zwei eigene und ein Waisenkind
durch den Schulalltag brachten (teils mit ABI)
und besonders meine Frau mit der Renten-Falle DAFÜR
bestraft wird, sind mir GEDANKEN durch die Finger geflossen,
die ich hier zusammenfasse.
Wird etwas umfangreicher sich gestalten,
als der Text der momentan online ist
(Donnerstag Teil 3).
Ich war gewiss kein guter Schüler, eher verträumt,
kam nicht mit bei der Bewältigung des starren Lehr-Stoffs.
Sah die schlotrauchenden Grauzonen der Arbeiterstadt Nürnberg
mehr in bunten Farben. Hatte mich meist auf den staubigen Bolzplatz-
Landstrichen meiner Kindheit ausgelebt.
Jetzt & Heute weiß ich‘s: ich war überfordert,
vielleicht nicht mal intellektuell, eher atmosphärisch.
Durchaus „unterfordert“ , wie viele Grund- und Mitschüler,
der nur 12 Jahre nach dem Krieg geborenen, seitens ihrer WIWU-Eltern.
Welche uns in kniebündigen Lederhosen
„ohne Zwang zu etwas“ einfach laufen ließen.
Erst mit m/einem erlernten medialen Handwerks-Beruf
und den vermeintlich intelligenteren von mir favorisierten
Jung-Frauen, kam das „gewusst WIE“ !
Reibungstechnisch erfuhr meiner-einer, von konservativ-
notabiturierten Beamt-Eltern, „als nur Facharbeiter“,
wie‘s real-deutsche Standes-System an den zu
verteilenden Fleischtöpfen funktioniert(e).
– Hielt durch. Das schult‘e ungemein !
Sonst wäre ich damals untergegangen. –
Einer aus der neuerdings propagierten
mittleren Unterschicht, deren Eltern „meist“
die wahre Aufbauarbeit bereitstellten.
Dieses Gehirn in meinem Kopf war wie ein Muskel,
den ich nicht trainiert hatte und deren Erlangung
zum Wissen keinem tendierte.
Selbst heute ist das „kein Schnee von Gestern“,
als technischer Redakteur, beim siebenten Technologiesprung,
nach über 47 Arbeitsjahren hart angelangt.
Unsere studierten wirtschaftspolitischen & kulturellen Eliten
agieren weiterhin
unter sich. Jeder soll da bleiben, woher hingehört ! An uns gerichtet. Wir, die
propagierten Proletarier.
Ein Leben unter ihrer Wahrnehmungswürde.
Damals, jetzt und immerdar. – Der Standesdünkel ist allgegen-
bis wiederwärtig. Gesellschaftliche Regularien im deutsch-
herrschaftlichen Bildungsphilister-System, haben sich unter
vielen Deckmäntelchen „nur technisch“ gewandelt.
Heutzutage kommst du innerhalb staatlichen Stellen
oder in der Wirtschaft nicht weiter ohne Abitur.
Keine finanzielle Glückseligkeit, um ausreichend
eine Familie zu begründen. Die einen leisten sich
ein (Single)-Leben nach ihrer Fasson und andere
leben unter gläsernen Lohn-Decken, wo sie nie
mehr herauskommen können.
In der derzeitigen Gesellschaft wird, nicht wie zu meiner
handwerklichen Ausbildungszeit, die reine Leistung bewundert,
sondern es zählt nur noch der Erfolg.
Tja, ich hätte mein jugendliche Gehirn liebend gern
früher in Gang gebracht, doch mir fehlte dazu die Strategie
und anfänglich die geeigneten jungen Lehrer, die einem
„weit vor den 68ern“ auf Augenhöhe begegneten. –
Einen bewusst förderten.
Denn der Irrtum ist und war immer schon,
man könne den „Arbeiter-Kindern“ nichts lehren.
Der andere Aspekt sei dies, man dürfe es nicht
und solle es jedenfalls möglichst wenig, wenn man
„richtiges Lernen erwarte“. – Sagen andere.
Das olle dreigliedrige Schulsystem steht seit 150 Jahren
einer Reform „gezielt“ im Wege. Vor allem im r.k.-christlichen Bayern,
wo die Maximilian-Minister, als situierte Kultus-Entscheider,
eigene Mündel prior in Privatinstituten fördern.
Zitat 1: Den in Wahrheit sei Erziehung Bildung,
und Bildung etwas, das aus Personen das heraushole,
was in Ihnen schon drin sei. Bildung entwickle nur.
Tief drinnen im Kind steckt also Futur II, das Periodensystem
und die Einsicht in die Notwendigkeit, sich zu melden,
bevor man spricht !
Viele weiterführenden Schulen, die ihre Absolventen entlassen,
haben nichts katastrophal falsch gemacht, aber sie sind unter
ihren Möglichkeiten geblieben.
Zu ihren Möglichkeiten gehört nämlich das Setzen von Anreizen,
sich selbst zu erkunden, nicht zuletzt dadurch, dass Lehrkräfte
auch den mittleren Schülern sagen, wie sie ihnen vorkommen,
auch über deren Begabung nachdenken.
Einen Unterricht so aufzuteilen, dass es die Klasse
„als Ganzes“ weiterbringt.
Viele schleppen sich gelangweilt durch.
Andere waren fleißig bis zum Umfallen und hat
meistens was genutzt, wenn „das Nachhilfe-Zuhause“
nachinvestierte.
Wieder andere erinnern sich heute noch an
einzelne Stunden, nur nicht daran,
was in ihnen dran war.
Kinder sollten denken lernen in der Schule.
Aber man bringt ihnen vor allem heute bei,
was leicht abgefragt werden kann.
Und das ist genau das Gegenteil von Denken lernen,
Urteilskraft und Weltverständnis.
Die Mehrzahl der Schüler stehen im Halbschatten
der Aufmerksamkeit, weil ihnen weder große Probleme,
noch glanzvolle Momente zugeordnet werden können.
Hierin liegt eines der größten Defizite der Schule,
dass meistens die Schüler/innen erst gar nicht
Gegenstand von Begabungs-Beschreibungen werden.
Über die Dreier denkt niemand nach, nur die Fünfer,
von deren die Begabung für den Unterricht fehlt und
für die dann im besten Fall nach Ersatzbegabungen
und Nachschulungsmöglichkeiten gesucht wird.
Den Einserschülern wird schon während der Schulzeit
geraten Kinder-Universitätskurse zu belegen,
um Spezialisten ihrer einseitigen Begabung zu werden.
Mit dem großen Mittelfeld, den meisten also,
spricht niemand intensiv, ganz so, als während
sie aufgrund ihrer Mehrzahl als Einzelne nichts besonderes.
Oft schließen sie die Schule erfolgreich ab,
haben ein ordentliches Zeugnis.
Zitat 2: Wenn man es gesellschaftlich betrachtet,
hängt es damit zusammen, dass wir aus einer
Gesellschaft kommen, die eher eine Gesellschaft
des Versprechens war.
Das Hauptversprechen, das viele kennen
„Aufstieg durch Bildung“.
Wenn du dich anstrengst und nicht ganz blöd bist,
wirst du einen Platz finden, von dem du „im Nachhinein
sagen kannst“: OK, das ist nicht was ich gewollt hatte,
aber es ist „in Ordnung“ wo ich gelandet bin.
Heute findet eine Umstellung statt,
von Versprechung auf Drohung.
Eine Gesellschaft von feinen Drohungen,
die als solche unmittelbar nicht mehr erkennbar sind.
Es liegt in der Struktur, in der Art und Weise
wie wir miteinander zu tun haben, dass wir selber
die Angst produzieren, vor der wir Angst haben.
Früher, zu meiner Lehr-Zeit, konnte man etwas entspannter,
gelassener an eine Sache rangehen. –
Es reichte, wenn man ein halbwegs taugliches Zeugnis hatte.
Heute haben wir eine Verschärfung des Konkurrenzkampfes
der Menschen untereinander. Damals konnte man noch
mit einem normalen Bildungsabschluss punkten,
dank der sozialdemokratischen Bildungsreform der 60iger,
die da lautete: Es wird dir einmal besser er/gehen als deinen Eltern.
Seit Jahren ist dieser Faden gerissen. –
Die Zukunftsausichten sind derzeit trübe.
Die jungen Leute, das Gefühl haben,
Sie treffen Entscheidungen in ihrem
Leben, wo jeder Punkt so ist, dass man glaubt,
es würde „das Ganze“ auf dem Spiel stehen. –
Einer latenten Bedrohungssituation gegenüberstehen !
So kommen heute folgende Twitter-Beispiel
als Bildungsdebatte zum Tragen:
Tenor: ich bin fast 18 und hab keine Ahnung
von Steuern, Miete oder Versicherung.
Aber ich kann ne‘ Gedichts-Analyse schreiben. –
In vier Sprachen.
Oder flapsig: Warum soll man seine Zeit
mit Lernen verschwenden, wenn man Dummheit
sofort kriegen kann.
Dabei rückt die Fähigkeit zu priorisieren und Entscheidungen
zu treffen in den Hintergrund. Dies fällt trefflich unter die
Begrifflichkeit des Bulimie-Lernens.
Wo der tatsächliche langfristige Lerneffekt gering,
bis gar nicht vorhanden ist.
Gruß vom Egbert
Ingrid Baumgart-Fütterer (18.06.2021):
Hallo Egbert,
deine umfangreiche und kritische Abhandlung zum Thema
Schule stimmt mich nachdenklich. Sie würde sich gut eignen als
Diskussionsgrundlage für die von dir angeschnittenen strittigen
Themen.
Wie heißt es so schön: „Worauf du deine Aufmerksamkeit lenkst,
das verstärkt sich, im Positiven wie im Negativen.“ Die sich
selbsterfüllende Prophezeiung tritt ein, wenn ein Lehrer die
(vermeintlichen) Schwächen der Schüler unter die Lupe nimmt
und dabei (immer mehr) deren Stärken aus den Augen verliert.
Irgendwann verhalten sich die Schüler so, wie sie vom Lehrer
gesehen werden, auch wenn diese Konformität ihrer wahren
Natur gar nicht entspricht. Das „Schubladendenken“ zementiert
vorgefasste Meinungen. Ressourcenorientiertes Lehren und
Lernen legt den Fokus auf die Potenziale der Schüler und deren
bestmögliche Entwicklung. Es gilt das Gebot, die Stärken der
Schüler zu erkennen und diese zu stärken. Angebliche
Schwächen werden in dem Prozess in den Hintergrund rücken
und sich sukzessive abschwächen, ohne dass es hierfür
besonderer Anstrengungen bedarf. Hochbegabte, die sich im
Unterricht langweilen, weil sie sich z. B. permanent unterfordert
fühlen und daher abschalten, werden vom Lehrer als „Genies“
verkannt, in ihren Leistungen falsch eingeschätzt und vielleicht
sogar als renitent und lernunwillig abgestempelt.
Im Schul- und Bildungswesen gehören verfilzte Zöpfe
abgeschnitten. Die Schüler sollten während ihrer Schulzeit
besser auf das Leben danach vorbereitet werden, damit sie
gegen den Praxisschock in Ausbildung/Lehre einigermaßen gut
gewappnet sind.
Die Digitalisierung des Schulunterrichts hat seine Vor- und
Nachteile. Mit einem Mausklick werden Wissensinhalte oft ohne
vorherige Eingrenzung der Themenschwerpunkte aufgerufen
und konsumiert, ohne sie geistig zu durchdringen. Die Themen
sollten so aufbereitet werden, dass das extrahierte Wissen
an vorhandenem Wissen angedockt werden kann, sodass in
dem „Wissensnetz“ laufend neue Verknüpfungen entstehen und
den geistigen Horizont erweitern.
Es ist schade, dass Schüler aus einkommensschwachen
Familien im Gegensatz zu Schülern aus betuchtem Elternhaus in
punkto Bildung benachteiligt sind. Wie viele Talente bleiben da
unentdeckt oder können nicht gefördert werden, die unserer
Gesellschaft zur Lösung komplexer Probleme dann leider nicht
zur Verfügung stehen. Schüler, die dank ihrer begüterten Eltern
die besten Schulen besuchten, haben heutzutage durchaus
keinen Freifahrschein für eine berufliche Karriere trotz ihres
Einser - Abiturs und einem Studium, das sie mit Summa cum
laude abgeschlossen haben. Der Konkurrenzkampf um die
besten Posten wird Mitstreitern noch ganz andere Qualitäten
abverlangen. Wer nach dem erfolgreichen Abschluss eines
Studiums aus welchen Gründen auch immer zu viel Zeit
verstreichen lässt bis zum Beginn einer Ausbildung oder einer
Berufstätigkeit, hat wegen der „Lücke“ in seiner Biographie von
vornherein schlechte Karten. Es herrscht eben ein rauer Wind auf
dem Arbeitsmarkt, der auch den reichen Berufsanwärtern heftig
um die Ohren weht.
Gruß von Ingrid