Kommentare unserer Leserinnen und Leser zur Kurzgeschichte
„Von Scharlatanen, Schiebern und Zeitungslesern“ von Sven Eisenberger


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Hallo Sven,

Ist es nicht immer so, das irgend-jemand daran Schuld sein muss,
wenn es einem schlecht ergeht.

Da kommt einiges zusammen, was typisch ist, für z.B. Verschwörungs­-Theoretiker:
Sie wissen alles, und sie wissen mehr als alle anderen.
Sie haben genaue und unumstößliche Überzeugungen in dieser Hinsicht.

Bedürfnisse nach Gewissheit wachsen, wenn „nichts mehr sicher“ scheint,
wenn man in politischen Erweckungsbewegungen das Gefühl hat,
dass man sich „auf nichts“ verlassen kann oder dass „was grundlegend falsch“ abläuft.

Der größte Feind des Wissens ist nicht Unwissenheit, sondern die Illusion, wissend zu sein.

Doch mit Kategorien wie Logik, Vernunft, Fachwissen oder gar Überzeugungskraft
des besseren Arguments, kommt man an diesem Punkt nur bedingt weiter.
In verschwörungsaffinen Milieus findet man eine besondere Sehnsucht nach Sicherheit,
nach Gewissheit und der „eigentlichen Wahrheit“ vor.

Ein dagegen-sein-Wollen – notfalls um jeden Preis. –
Siehe: die Mundschutz- Impf- Pflicht.

In Krisenzeiten suchen Intelligente nach Lösungen, Idioten suchen nach Schuldigen.
Ein Idiot ist ein Idiot. Zwei Idioten sind zwei Idioten. Zehntausend Idioten sind eine politische Partei.

Zum Beispiel: wenn sich ein Herr Gauland hinstellt und sagt, die AfD hole
sich ihr deutsches Volk zurück. Er hat von Eigentumsrecht keine Ahnung.
Dieses Volk gehört nicht ihm, nicht mir, keiner Partei. Es gehört sich selbst.
Diese Anmaßung, ständig für das ganze Volk zu sprechen zu wollen.

Somit sind wir bei der wohlfeisten Art des Stolzes, dem Nationalstolz angelangt.
Schon vor knapp 200 Jahren hatte Arthur Schopenhauer dazu die Erkenntnis.

Der Philosoph beschrieb den Nationalstolz, als den letzten Rettungsanker des
minderbemittelten Mitläufertums. Jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt
hat darauf er stolz sein könnte, ergreift das Mittel auf sein Land stolz zu sein.

Diese, in den meisten Fällen Männer, sind stolz, einer Nation anzugehören,
die er gerade angehört. Hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit,
alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen
und selbst für sie in den Krieg zu ziehen, ließe sich anmerken.

Was macht das, mit den traurigen rechtsradikalen Würstchen
und ihren traurigen Leben?

Onanieren vor Begeisterung über sich selbst. Alk-Trinken bis zum Anschlag,
um ihre ganze Erbärmlichkeit zu vergessen. Woher nehmen sie den Impuls.
Aus all den Foren, in denen anonym gebellt, gegeifert und gegiftet wird?

Viele unserer Weltbürger glauben derzeit, Demokratie sei eine Art Online-Shop:
Ich klicke was ich will – und dann muss die Politik ruck, zuck liefern.

Wir brauche Menschen, die kritisch mitdenken,
mitentscheiden und mitverantworten.
Demokratie lebt vom Mittun, Mitdenken vieler.

Der Konsens der offenen Gesellschaft beruht scheinbar darauf,
dass man so oft in diesem Land, von seinem Recht auf Nichtwissen
übermäßigen Gebrauch macht. – Denn wenn man nichts weiß,
hat man leicht reden.

Ich befürchte, wir wollen uns nicht mehr sehr in die
Gedankengänge Anderer vertiefen. „Wir wollen“ nicht mehr
gründlich nachdenken. „Wir wollen“ eher unsere Meinung
zu einem Thema raushauen und das Ganze dann abhaken.

Und: „wir wollen“ gerne zu allem eine Meinung haben,
obwohl uns dazu fast immer das Grundlagenwissen fehlt.
Vor allem derzeit im postfaktisch-politischen Bereich.

Aber immer wieder bleibt das ungute Gefühl, dass sich das VolIidiotentum
auf beängstigende Weise ausbreitet, in einer Gesellschaft, in der Hass und
Aggressionen auf nicht mehr nur heimlichen Applaus rechnen dürfen, in der damit,
von radikalen Parteien „mit Blödbirnen“ populistische Politik gemacht wird.

Man darf nicht vergessen, dass diesen Leuten, denen wir in unserer
angedachten Solidargemeinschaft, ein Miteinander abverlangen,
mit einem Milliardenaufwand an Geld, jeden Tag berieselt werden,
um sich Vorteile „vor den Anderen“ zu verschaffen.

In einem unglaublichen Ausmaß, wo ganze Systeme darauf basieren,
dass ein gigantisches Entsolidarisierungs-Programm tagtäglich auf uns einwirkt.

Heute kommen die Informationen aus den Medien und die zeigen ausschließlich
„die Abweichung vom Normalen“. Nur was besonders ist, kommt in die Medien.

Deshalb sind wir paranoide, weil unser Hirn sagt, „so ist die Welt“.
Aber so ist sie nicht. Es ist eine Täuschung. Weil wir die Welt nicht mehr
aus eigener Anschauung wahrnehmen, so wie früher mit Gesprächen
und Erzählungen durch Freunde und Bekannte.

Gruß vom Egbert
(der alles schon mal geschrieben hat und ES sinnlos verhallt.)











Sven Eisenberger (30.07.2021):
Lieber Egbert, Mensch, das ist bestimmt der längste Kommentartext, den ich jemals erhalten habe und für den ich sehr dankbar bin! Deiner Analyse und deinen Beobachtungen kann ich nur uneingeschränkt zustimmen. Besonders treffend: "Demokratie als Online-Shop", da bringst Du wunderbar eines der Fundamentalprobleme des Politikverständnisses in Zeiten des Populismus auf den Punkt. Dass Medien vornehmlich die "Abweichung vom Normalen" präsentieren, ist sicher kein neues Phänomen und den Funktionsregeln des Informationsgeschäfts geschuldet. Fatalerweise definieren sie dadurch erst eine Normalität, die mit der Lebenswirklichkeit vieler Menschen nur wenig gemein hat und eigentlich Gegenstand kontroverser Diskussionen sein müsste. Doch das Soziale wird in diesen Medienblasen mehr und mehr erstickt, weshalb auch die "Erzählungen durch Freunde und Bekannte" bereits häufiger an Atemnot leiden. Solange es uns aber noch gelingt, hier erzählerisch ein kleines bisschen Sauerstoff zuzuführen, besteht vielleicht noch Hoffnung. Mit herzlichen kollegialen Grüßen Sven

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